Hexentage
ersten Begegnung.«
»Es geht mir gut.« Jakob stellte den Korb ab und nahm den goldenen Kelch zur Hand, an dem Meddersheim gearbeitet hatte.
»Die ersten Züge eines Marienbildes«, erklärte Meddersheim, als er Jakobs neugierige Miene bemerkte. »Es handelt sich um einen Meßbecher im Auftrag des Domkapitels. Für einen Goldschmied ist es beruhigend zu wissen, daß er, selbst wenn in der |97| Stadt die Armut voranschreitet, beständig an der Erweiterung des Domschatzes arbeiten kann. Ohne die heilige Mutter Kirche«, er faltete die Hände und blickte gen Himmel, »wären meine Tochter und ich wohl schon lange einer bitteren Armut ausgesetzt.«
Jakob wußte nicht, wie er diese düsteren Worte auffassen sollte. Meddersheim setzte hinzu: »Ein kleiner Scherz. Entschuldigt. Natürlich gibt es außer der Kirche auch noch weitere wohlhabende Herren, die keine Kosten scheuen, ihren Gattinnen und Töchtern wertvolle Geschenke anfertigen zu lassen. Erst im letzten Monat habe ich für einen schwedischen Oberst eine rubinbesetzte Kette hergestellt, von deren Wert die gesamte Besatzung einen Monat lang verpflegt werden könnte.«
Jakob drehte den Meßbecher in seiner Hand und stellte ihn dann zurück. Er verachtete die Prunksucht der katholischen Kirche. Wie wahr hatte Luther doch gesprochen, als er die Gläubigen mahnte, sich mit dem reinen, unverfälschten Glauben und nicht etwa mit materiellen Gütern zu beschäftigen. Jakob fand es durchaus akzeptabel, das gesamte Domkapitel aus der Stadt zu treiben und mit dem Erlös des Domschatzes der Bürgerschaft die Bürde der schwedischen Besatzung zu erleichtern.
Auf der Treppe erklangen Schritte und ein leises Keuchen. Sara hatte die Hände in den Rücken gestemmt und streckte ihren Bauch vor, als sie in die Werkstatt trat.
»Verzeiht mir, daß es so lange gedauert hat, Jakob, aber ich bin so träge geworden wie eine Kuh mit geschwollenem Euter«, sagte sie und kam auf ihn zu.
»Habt Nachsicht mit dem unflätigen Mundwerk meiner Tochter«, bat Meddersheim. »Sie besitzt das Herz eines Löwen, aber die Zunge einer Zigeunerin.«
»Eine Zunge, die sogar drei bewaffnete Söldner in die Flucht zu schlagen vermag.« Jakob schien es, als hätte Saras Bauch in den vergangenen drei Tagen deutlich an Umfang gewonnen. |98| Wie lange mochte es noch dauern, bis sie ihr Kind zur Welt brachte? Einen Monat? Zwei?
Er deutete auf den Korb. »Ich bin gekommen, um mich bei Euch zu bedanken, Sara. Und ich möchte Euch dies als Anerkennung überreichen.«
Sara trat näher, zog das Tuch zur Seite und betrachtete die Präsente mit deutlichem Argwohn.
»Wurst und Wein aus der Vorratskammer des Wilhelm Peltzer.« Sie sprach es in einem so verächtlichen Tonfall aus, als hätte Jakob ihr einen Haufen Kuhdung überreicht. »Ich weiß nicht, ob ich diese Almosen des Bürgermeisters überhaupt in meinem Haus haben will.«
Jakob verstand ihre Ablehnung nicht. »Ich … ich habe es nur gut gemeint.«
»Natürlich habt Ihr das.« Der Goldschmied nahm eine der Würste aus dem Korb, roch daran und seufzte zufrieden. »Ein wunderbarer Geruch.«
Sara zögerte einen Moment, dann nahm sie ihrem Vater die Wurst aus der Hand und biß hinein. »Was soll’s«, meinte sie, »die arme Wurst kann ja nichts dafür, in welchem Haus sie geräuchert wurde.«
Erleichtert verfolgte Jakob, wie Sara nach Mina rief und die Magd anwies, den Korb in die Speisekammer zu schaffen.
»Hat Peltzer Euch aufgetragen, mir diesen Korb zu bringen?« wollte Sara wissen.
»Nun ja, er hat mich auf die Idee gebracht, aber ich hätte mich auch ohne ihn sicher erkenntlich gezeigt.« Jakob zog seinen Geldbeutel aus der Jacke und suchte nach einer Münze. Warum hatte er nicht sofort daran gedacht? Sara erwartete von ihm kein Geschenk, für das er nur der Überbringer war.
»Nein!« bat Sara. »Verteilt Euer Geld besser an die, die es nötiger haben als ich. Es gibt viele Menschen hier in der Stadt, die in Ställen oder unter freiem Himmel schlafen müssen und Hunger leiden. Ihnen solltet Ihr Euer Geld geben, nicht mir.«
|99| »Übernehmt Ihr das für mich«, sagte er und legte die Münze auf den Tisch. Sara betrachtete den Taler einen Augenblick, dann steckte sie ihn in die Tasche ihrer Schürze.
»Ihr wollt mir also einen Gefallen tun, Jakob?«
»Das würde ich sehr gern.«
»Vielleicht komme ich irgendwann einmal darauf zurück. Im Moment würde ich Euch nur bitten, mich vor die Tore der Stadt zu begleiten. Ich benötige frische
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