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Hexentage

Hexentage

Titel: Hexentage Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M Wilcke
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Peltzer belogen zu haben, um Einlaß in den Turm zu erlangen.
    Gemeinsam mit Sara hatte er lange nach einer Idee gesucht, welchen plausiblen Grund es für ihn geben könnte, den vermeintlichen Hexen ein zweites Mal entgegenzutreten. Beiden war klar, daß Jakob nur mit der Zustimmung des Bürgermeisters in die Nähe Anna Ameldungs gelangen konnte, doch Peltzer war alles andere als ein Dummkopf. Jakob mußte ihm also eine sehr überzeugende Erklärung präsentieren, wenn er nicht den Argwohn des Bürgermeisters wecken wollte.
    Spät am Abend, als er das Haus der Meddersheims schon hatte verlassen wollen, war Jakob doch noch der rettende Einfall gekommen. Den Bürgermeister zu täuschen konnte nur gelingen, wenn das Vorhaben, den Bucksturm erneut aufzusuchen, nicht von Jakob selbst ausging.
    Da er nach seinem ersten Aufenthalt im Hexengefängnis Peltzer gegenüber deutlich zu erkennen gegeben hatte, wie erleichtert er gewesen war, der schauderhaften Umgebung des Kerkers den Rücken zu kehren, hätte es den Bürgermeister wohl sehr verwundert, wenn sein Gast plötzlich aus freien Stücken darum bat, sich noch einmal in die Nähe der Hexen zu begeben. Doch wenn er angab, daß er im Auftrag seines Mentors Laurentz um diesen Gefallen bitte, würde Peltzer womöglich keinen Verdacht schöpfen.
    Schon am nächsten Tag legte Jakob dem Bürgermeister eine |131| Liste von fünfzehn Fragen vor, die ihm Johann Albrecht Laurentz angeblich vor seiner Abreise anvertraut hatte. Die Fragen richteten sich an die Angeklagten und sollten unter anderem ergründen, wie der Satan mit ihnen in Kontakt getreten war, welche Worte er zur ihrer Verführung benutzt und was er ihnen als Lohn für ihre Dienste versprochen hatte.
    Wilhelm Peltzer las die Liste, auf der Jakob versucht hatte, Laurentz’ Schrift detailgetreu nachzuahmen, sehr aufmerksam, schien allerdings skeptisch, was den Erfolg dieser Bemühung anbelangte.
    »Ich glaube nicht, daß Ihr auch nur eine einzige ehrliche Antwort auf Eure Fragen erhalten werdet«, meinte der Bürgermeister, als er das Blatt sinken ließ. »Diese Weiber, allen voran die Modemann, sind störrisch und stur wie launische Esel. Sie haben ihre Schuld vehement abgestritten. Ich befürchte, wie bei vielen der anderen Hexen, wird erst die Folter die Wahrheit aus ihnen herauspressen. Es wäre mehr als naiv, anzunehmen, diese Frauen würden jemandem, der zudem nicht offiziell mit der Untersuchung dieser Fälle betraut ist, ihre Verbindung mit dem Teufel eingestehen.«
    »Herr Laurentz war sich dessen sicherlich bewußt«, entgegnete Jakob. »Er erklärte es mir so, daß er mir diese Aufgabe nicht übertrage, um eine Schuldfrage zu klären, sondern um meine Sinne zu schärfen. Ich soll die Reaktionen in den Gesichtern der Hexen studieren. Auch wenn eine Person beharrlich schweigt, kann man bisweilen an einem Zucken der Mundwinkel oder einem nervösen Wimpernschlag erkennen, ob die Frage einen wunden Punkt berührt. Herr Laurentz trug mir auf, den Beschuldigten diese fünfzehn Fragen vorzutragen und später jede noch so unbedeutend erscheinende Einzelheit in ihren Reaktionen niederzuschreiben.«
    Peltzer schürzte die Lippen und dachte kurz über Jakobs Vorhaben nach. »Nun gut, wenn Ihr den Drang verspürt, noch einmal an diesen wenig erbaulichen Ort der Buße zurückzukehren, |132| werde ich ein Schreiben aufsetzen, daß Euch Zutritt zum Bucksturm verschafft.«
    Jakob atmete erleichtert auf. »Glaubt mir, ich würde es vorziehen, das Gefängnis zu meiden, aber ich möchte meinen Brautvater nicht enttäuschen.«
    Peltzer setzte umgehend einen Brief auf und verschloß das Papier mit seinem Siegel. Dieses Schreiben gab er Jakob mit auf den Weg.
    »Nehmt Euch vor der alten Modemann in Acht. Sie ist bissig wie ein übellauniger Wolf. Und unterrichtet mich über die Ergebnisse Eurer Beobachtungen«, verlangte der Bürgermeister.
    Jakob verließ mit gemischten Gefühlen das Haus. War in Peltzers Gesicht bei seiner letzten Bemerkung ein gewisser Zweifel zu erkennen gewesen? Plötzlich erschien ihm seine List unglaublich lächerlich. Daß Laurentz ihn mit einem derart seltsamen Auftrag behelligt hatte, mußte Peltzer mehr als unglaubwürdig vorkommen. Doch trotz aller Sorge hatte Jakob mit seiner Geschichte einen Erfolg errungen, auch wenn es ihm mißfiel, daß nun weitere Lügen folgen würden. Es dürfte ihm nicht schwerfallen, sich einige Reaktionen der Frauen auf die Fragen, die wohl nie gestellt würden,

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