Hexentage
entfernt haben, um ihn vor Dieben zu schützen; auch konnte er sich vorstellen, daß das Metall auf dem harten Boden sehr hinderlich gewesen sein mußte.
»Ihr kennt Anna Ameldung sehr gut. Habt Ihr sie jemals bei einer Hexerei beobachtet? Habt Ihr gesehen, wie sie einen Gegenstand oder ein Tier verwandelt hat oder durch die Luft geflogen ist?« wollte Jakob wissen.
Vortkamp zog unwirsch die Stirn in Falten. »Herrgott, Kerl, ich habe fast den Eindruck, als wolltet Ihr sie verteidigen.«
Er hat recht,
dachte Jakob.
Ich verteidige Anna Ameldung. Ich glaube nicht mehr an ihre Schuld.
Sara hatte die ganze Zeit über recht. Die Beschuldigungen, die gegen die Apothekerin ausgesprochen wurden, entsprangen dem dummen Gewäsch eines Tölpels – eines Mannes, den Wilhelm Peltzer als vertrauenswürdig und ehrenhaft beschrieben hatte. Nichts von dem hatte sich bewahrheitet. Rutger Vortkamp war das Paradebeispiel eines einfältigen Narren, dessen panische Angst vor Hexenwerk das Leben einer rechtschaffenen Frau zerstört hatte.
Auch Vortkamps zweiter Krug Wein war bereits geleert, und mit schwankender Stimme murmelte er: »Eigentlich war sie kein schlechter Mensch. Sie war immer nett zu mir, hat mich gut behandelt und mich sogar in Schutz genommen, als mein Vetter auf mich einprügeln wollte, nur weil ich ihm die Verfehlungen seines Weibes vor Augen gehalten habe.« Seine trunkenen Augen blinzelten träge. »Glaubt Ihr, daß es auch gute Hexen auf der Welt geben kann?«
Jakob schaute Vortkamp ins Gesicht und starrte doch ins Leere. Dann erwiderte er: »Glauben? Ich weiß nicht mehr, was ich noch glauben soll.«
|167| Kaum eine Stunde zuvor hätte Jakob es nicht für möglich gehalten, daß er jemals wieder das Haus der Meddersheims aufsuchen würde, doch nun folgte er Saras Vater durch die Werkstatt in den Hinterhof und befürchtete, sein Herz würde vor Aufregung schier zerreißen.
Der Goldschmied ließ sich nicht anmerken, ob er wußte, was zwischen Jakob und Sara vorgefallen war. Er war freundlich wie immer und führte Jakob in den Garten, wo Sara auf einer Bank unter einem Kirschbaum saß und so konzentriert ein Papier beschrieb, daß sie die beiden Männer, die aus der Tür traten, überhaupt nicht bemerkte.
»Heitert sie mir bitte ein wenig auf«, bat Meddersheim. »So niedergeschlagen wie heute habe ich sie selten erlebt.«
»Ich will es versuchen«, erwiderte Jakob.
Georg Meddersheim entfernte sich mit einem dankbaren Nicken und schloß die Tür hinter sich.
Jakob betrachtete Sara eine Weile. Sie erschien ihm, wie sie dort im goldenen Licht der Abendsonne saß und den Kohlestift über das Papier gleiten ließ, begehrenswerter denn je. Wie, fragte er sich, hatte er es nur jemals in Betracht ziehen können, sie aus seinem Leben zu verstoßen?
Langsam trat er auf Sara zu und setzte seine Schritte so schwer, als hätte man ihm Blei in die Stiefel gefüllt. Ihm fiel auf, daß sie den Stift in weitem Bogen über das Papier führte und nicht schrieb, sondern eine Zeichnung anfertigte.
Erst da bemerkte Sara seine Anwesenheit und schaute auf. Er versuchte ihre Reaktion zu deuten. Zunächst schien sie einfach überrascht zu sein, dann strahlten ihre Augen erleichtert, und er stellte ergriffen fest, daß sie ihn wohl ebensosehr vermißt hatte wie er sie.
»Ich hatte gehofft, daß du zurückkommen würdest«, brachte sie bewegt hervor. »Aber ich mochte schon nicht mehr daran glauben.«
»Sara …«, erwiderte er und verstummte abrupt. Während er |168| sich setzte, fiel sein Blick auf ihre Zeichnung. »Das bin ja ich.« Jakob deutete auf das Porträt, das sie im Begriff war, von ihm anzufertigen.
»Ich wollte etwas von dir zurückbehalten. Zumindest dein Bild, damit ich mich an dein Gesicht erinnere.«
Jakob faßte Saras Hand und küßte sie zärtlich auf den Mund. Als er ihr dann in die Augen schaute, war er plötzlich davon überzeugt, daß sie in ihn genauso verliebt war wie er in sie. Das hatte er bislang kaum für möglich gehalten. Wie konnte es geschehen, daß sich eine so selbstbewußte Frau wie Sara in einen unentschlossenen Jüngling wie ihn verliebte? Zum Glück jedoch gab es keine festen Gesetzmäßigkeiten der Liebe.
Als wolle sie seinen Gedanken noch bestätigen, legte Sara ihren Kopf auf seine Schulter und streichelte seine Hand.
»Himmel, wenn ich daran denke, daß ich um ein Haar Hals über Kopf aus Osnabrück abgereist wäre …«
Sara schaute ihn erstaunt an. »Du wolltest die Stadt
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