Hexentage
Einladung in ein Gasthaus merklich auf.
»Ein guter Vorschlag«, meinte Vortkamp. »Folgt mir, ich kenne einen gemütlichen Platz nicht weit von hier.«
Der gemütliche Platz, den Vortkamp empfohlen hatte, erwies sich als düstere, enge Spelunke in einem Keller. Obwohl erst früher Nachmittag, war die Schänke bereits gut besucht. Wieder einmal waren vor allem schwedische Söldner damit beschäftigt, ihr Geld zu verprassen. Jakob schaute sich besorgt um, ob sich womöglich die Männer, mit denen er seinen Streit ausgetragen |164| hatte, unter dieser Meute befanden, aber er machte nur Gesichter aus, die ihm völlig fremd waren.
Vortkamp bestellte den Wein und setzte sich mit zwei randvollen Krügen zu Jakob an den Tisch. Gierig setzte er das Gefäß an die Lippen und trank so hastig, daß ihm der Rebensaft aus den Mundwinkeln lief.
»Ah, ein herrliches Gesöff«, schwärmte er und schaute Jakob erwartungsvoll an. »So, nun möchte ich wissen, was Ihr von mir wollt. Arbeitet Ihr für Wilhelm Peltzer?«
»Arbeiten ist wohl das falsche Wort«, meinte Jakob. »Sagen wir lieber, ich befinde mich in einer Phase des Lernens, und Peltzer könnte man als meinen Lehrmeister bezeichnen.«
»Und was lernt Ihr bei ihm?«
»Ich befasse mich mit den Malefizprozessen, die in Osnabrück durchgeführt werden. Vor allem der Fall Anna Ameldung hat mein Interesse geweckt.«
Vortkamps Blick verriet Argwohn. Er genehmigte sich schnell einen weiteren Schluck Wein.
»Peltzer hat mir berichtet, daß Ihr das Teufelswerk dieser Frau am eigenen Leibe erfahren habt«, sprach Jakob weiter. »Eine verzauberte Konfektdose soll dabei von großer Wichtigkeit gewesen sein.«
Gedankenverloren starrte Vortkamp vor sich hin. »Verzau bert war sie, die Konfektdose. Sie trug die Initialen meines Vetters, des Apothekers, und jegliches süße Konfekt, das man hineinfüllte, verwandelte sich in stinkenden Unrat.«
»Manche behaupten, es hätte sich nur um einen dummen Scherz gehandelt.«
»Unsinn«, widersprach Vortkamp. »Die Büchse war verhext. So schnell lasse ich mich nicht hereinlegen. Ich will Euch etwas verraten: Als ich mit der Büchse von der Schaumburg nach Osnabrück ritt, habe ich gespürt, daß sie verzaubert war. Von ihr ging etwas Böses aus, eine teuflische Hitze, als wäre ein Dämon darin gefangen. Hin und wieder habe ich sogar Geräusche |165| gehört, ein Klopfen und Pochen, als wollte etwas aus dem Inneren hervorbrechen.«
Jakob tat die Berichte Vortkamps als pure Aufschneiderei ab. Man hätte diesem Burschen eine Kuh verkaufen und statt dessen eine Ziege mit auf den Weg geben können, und der Tölpel hätte es wahrscheinlich nicht gemerkt. Zudem hatte Jakob von Sara erfahren, daß der Konfektbüchse sogar ein Begleitschreiben beigelegen hatte, in dem die Verwandten Vortkamps den Scherz aufgeklärt und dessen Einfältigkeit hervorgehoben hatten.
Vortkamp rief den Wirt herbei und bestellte einen neuen Krug Wein, dann wandte er sich wieder Jakob zu. »Anna Ameldung hat die Konfektbüchse mit zum Hexentanz geführt und sie dort mit Hilfe des Teufels verzaubert, auf das alles, was sich in ihr befinde, sich in Dreck verwandele. Das soll jeder wissen, der mich danach fragt, auch wenn mein Vetter, der die Verfehlungen seines Eheweibes nicht akzeptieren will, mich dafür aufs übelste beschimpft.«
Jakob glaubte Vortkamp nur zu gerne, daß er in den zwei Jahren, die seit dem Vorfall vergangen waren, annähernd jeder Person, der er zwischen Minden und Osnabrück begegnet war, die Geschichte mit der verzauberten Konfektbüchse erzählt hatte. War es da noch verwunderlich, daß Anna Ameldung in den Ruf geriet, eine Hexe zu sein und daß andere Frauen sie unter der Folter anklagten, um von den Schmerzen erlöst zu werden?
»Ihr seid also überzeugt davon, daß Anna Ameldung eine Hexe ist?« fragte Jakob.
»Gewiß«, antwortete Vortkamp, ohne zu zögern. »Schließlich lieferte sie selbst bereits kurz nach ihrer Verhaftung einen untrüglichen Beweis ihrer Schuld.«
»Laßt hören.«
Vortkamp beugte sich vor und flüsterte Jakob zu, als gäbe es ein großes Geheimnis zu verkünden: »Sie soll die silbernen Haken von ihrem Schnürmieder abgetrennt und zu ihrem Ehemann geschickt haben. Sagt selbst, warum würde sie so etwas |166| tun, wenn sie nicht wüßte, daß sie schuldig ist und niemals mehr die Freiheit erlangen wird.«
Nach Jakobs Verständnis gab es für solch ein Verhalten viele einleuchtende Gründe. Sie könnte den Zierat
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