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Hexentage

Hexentage

Titel: Hexentage Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M Wilcke
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teilgenommen? Wißt Ihr, was hier in dieser Nacht geschehen wird?«
    »Ich habe Bücher darüber gelesen …«
    »Bücher! Schlaue Worte und Phrasen!« Voß lachte verkniffen. »Die Frau dort ist eine Hexe, und sie ist vom Bösen durchdrungen. Das bedeutet, daß wir ihren Willen brechen müssen, um die teuflischen Kräfte, die von ihr Besitz ergriffen haben, aus ihrem Leib und ihrer Seele herauszutreiben. Leider ist dies nur unter Anwendung ärgster körperlicher Qualen möglich. Zwar |221| sind Frauen von Natur aus schwächer als Männer, doch das macht sie auch anfälliger für die Verlockungen des Teufels. Und hat das Böse erst Besitz von ihnen ergriffen, erweisen sich die Weiber erfahrungsgemäß als äußerst leidensfähig.«
    »Darüber bin ich mir im klaren«, erwiderte Jakob einsilbig.
    Voß deutete auf das Schreibpult, das neben dem Tisch der Kommissare aufgebaut worden war. »Dann nehmt also Euren Platz ein.«
    Jakob trat hinter das Pult, rückte das Tintenfäßchen in die rechte obere Ecke und ordnete das Papier zu einem ordentlichen Stapel. Er vermied es, Anna Ameldung allzu auffällig anzustarren, doch es blieb ihm nicht verborgen, daß sie am ganzen Leib zitterte.
    »Frau Ameldung«, erhob Jobst Voß, der wieder in die Reihe der anderen Peinkommissare getreten war, seine Stimme, »Ihr seid der schwersten Verbrechen angeklagt, derer ein Mensch beschuldigt werden kann. Man bezichtigt Euch, die schwarze Taufe des Satans empfangen und durch die so erworbenen Hexenkünste anderen Menschen Krankheit, Not, ja sogar den Tod zugefügt zu haben. Gesteht Ihr diese Schuld ein?«
    Einen Moment lang herrschte eine Totenstille. Dann erwiderte die Apothekersfrau tonlos und schleppend: »Ich werde keines dieser Verbrechen gestehen, denn ich bin keine Hexe. Gott sei mein Zeuge.«
    Der Mann neben Voß streckte erneut anklagend einen Finger nach ihr aus und rief: »Versündigt Euch nicht am Namen des Herrn, Weib!«
    »Ihr beharrt also auf Eurer Unschuld?« fragte Voß.
    »Ganz recht«, erwiderte sie, diesmal mit festerer Stimme. Jakob bewunderte Annas Courage. Obwohl sie den Peinkommissaren schutzlos ausgeliefert war, brachte sie den Mut auf, diesen Männern die Stirn zu bieten.
    »Notiert bitte diese Aussage«, wandte sich Voß an Jakob.
    Jakob tauchte den Federkiel in die Tinte und hielt in förmlicher |222| Formulierung auf dem obersten Blatt fest, daß die Angeklagte Anna Ameldung ihre Schuld während des gütlichen Verhörs abgestritten hatte. Seine Hand war verkrampft, als er dies niederschrieb und brachte recht ungelenke Buchstaben hervor.
    Voß nickte dem Scharfrichter zu. »Beginnt mit der Territion!«
    Meister Matthias trat mit einer Holzrute und einem Ledersack herbei, deutete zunächst auf die Seilwinde, die an einem der Deckenbalken angebracht worden war, und führte die Territion durch, die Erklärung der Foltergeräte, welche die Angeklagte bereits durch die Kraft der Vorstellung veranlassen sollte, ein Schuldbekenntnis abzulegen.
    »Ich werde Euch die Hände binden und über diese Winde nach oben ziehen, so daß Ihr frei in der Luft hängt und Euer Körper gestreckt und gespannt wird«, erläuterte Klare. »Danach wird die Rute«, er hob den langen dünnen Holzstock vor ihre Augen, »über Euer Fleisch streichen, bis sich die Haut vom Körper löst. Solltet Ihr Euch trotz allem weiterhin weigern, Eure Schuld zu bekennen, werde ich diese Schrauben anwenden müssen.« Er schüttete den Ledersack aus, und vor Annas Füßen fielen klappernd ein halbes Dutzend Daumen- und Beinschrauben zu Boden. »Sie werden Eure Finger und Waden zerquetschen. Zunächst das Fleisch, dann die Knochen.«
    Die Worte des Scharfrichters blieben nicht ohne Wirkung auf die Apothekerin, die vor den Bein- und Daumenschrauben zurückwich, als wären es giftige Schlangen. Doch sie preßte hervor: »Vielleicht flehe ich um Gnade, aber ich werde niemals gestehen, Hexerei angewandt zu haben, denn das wäre eine Lüge.«
    Klare schaute enttäuscht drein und räumte seine Folterinstrumente zusammen. Wahrscheinlich hatte er gehofft, daß Anna Ameldung nach der Territion den Peinkommissaren eingestand, was diese von ihr hören wollten. Jobst Voß hingegen zuckte nur teilnahmslos mit den Schultern, wies Jakob an, die Wirkungslosigkeit der Territion zu notieren, und gab dem Scharfrichter das Zeichen, mit der Tortur zu beginnen.
    |223| Der Apothekerin wurden die Augen mit einem Stoffband verbunden und ihre Hände mit einem Strick verknotet, der

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