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Hexentage

Hexentage

Titel: Hexentage Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M Wilcke
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traurig. »Ich darf ihn nicht weiter herausfordern«, antwortete er, obwohl ihm der Gedanke widerstrebte, der Befragung und Folterung der beiden Frauen beizuwohnen. Doch die Art, wie der Bürgermeister Sara angestarrt hatte, verriet ihm, daß es besser war, seinen Wünschen nachzukommen.

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    Kapitel 23
    Die Turmuhr der Katharinenkirche hatte bereits zur fünften Stunde geschlagen, während Jakob noch immer in Peltzers Haus angestrengt über der Bambergischen Halsgerichtsordnung und über der Carolina hockte und die Texte überflog, die sich auf das peinliche Verhör bezogen. Versunken in die zahlreichen Artikel und Weisungen der Strafgerichtsbücher, welche die Durchführung der Territion und Folterung regelten, hatte Jakob die Zeit vergessen, und daher mußte er zum Bucksturm laufen, wo er vollkommen außer Atem an den Eingang hämmerte, bis sich die Tür öffnete.
    »Seid Ihr der Schreiber?« fragte die Wache.
    Jakob nickte nur und trat in die Wachstube.
    »Man wartet dort oben bereits auf Euch.« Der Mann versperrte hinter ihm die Tür.
    Der schwere Duft vom süßem Wein, der in dieser Wachstube drückender in der Luft hing als in einer billigen Schankwirtschaft, rief ein Schwindelgefühl bei Jakob hervor. Er ging rasch zur Treppe und stütze sich an der Wand ab, um nicht ins Stolpern |219| zu geraten. Insgeheim hatte er Angst vor dem, was gleich im obersten Stockwerk des Turms geschehen mochte. Bereits die Wasserprobe hatte große Abscheu in ihm hervorgerufen, aber das würde nichts im Vergleich zu dem sein, was den beiden Frauen und in gewisser Weise auch ihm nun bevorstand.
    Als er den dritten Stock erreichte, blieb er einen Moment lang stehen und betrachtete die in sich zusammengesunkene Gestalt, die auf dem Boden kauerte.
    Anna Modemann lehnte ihren Kopf an die Steinwand und stierte kraftlos mit leeren Augen auf ihre Füße. Die erniedrigende Wasserprobe schien sie gebrochen zu haben. Jakob hätte ihr gerne etwas Tröstendes gesagt, doch die Anwesenheit eines Büttels, der sich neben der alten Frau mit gelangweilter Miene auf seine Pike stützte, machte dies unmöglich.
    Jakob stieg die letzten Treppenstufen hinauf. Die Tür zum obersten Stockwerk war verschlossen, und erst auf Jakobs Klopfen hin wurde der Schlüssel herumgedreht.
    Zögerlich betrat Jakob die Folterkammer. Er fröstelte. Der Raum war natürlich nicht kleiner als die anderen in diesem Turm, aber Jakob erschien er bedrückender und dunkler und so unheimlich, als schwirrten die kreischenden Schreie der Gepeinigten noch um die Steinwände.
    Außer ihm waren sieben weitere Personen anwesend. Zum einen die vier Peinkommissare, die in strenge schwarze Roben gekleidet, hinter einem langen Holztisch Platz genommen hatten. Sie alle gehörten dem Rat an, doch namentlich war Jakob nur Jobst Voß, der enge Vertraute Peltzers, bekannt, der in diesem Gremium wohl den Vorsitz übernommen hatte. Die übrigen drei waren ältere Männer mit grauen Haarkränzen, die eine ungerührte Miene zur Schau trugen.
    Ihnen gegenüber hockte Anna Ameldung auf einem Schemel. Man hatte ihr die Kleidung genommen und sie nackt und zitternd den Blicken der Kommissare ausgesetzt, die in stoischer Ruhe beobachteten, wie Matthias Klare und sein Knecht mit |220| einem Messer ihre Haare abschnitten, die in dunklen Büscheln zu Boden fielen.
    Die Apothekerin schaute kurz zu Jakob auf, als er den Raum betrat. Einen Moment lang schien sie erschrocken und verwirrt. Jakob betete in Gedanken darum, daß sie ihn nicht allzu auffällig anstarren möge, doch dann erkannte Anna Ameldung wohl an seiner Miene, wie viel Angst er selbst verspürte, und senkte traurig den Blick.
    Jobst Voß kam auf Jakob zu und deutete im Vorbeigehen auf den Unterleib der Anna Ameldung.
    »Denkt daran, Meister Matthias,
alle
Haare müssen entfernt werden.«
    Er zog Jakob einige Schritte zurück und raunte ihm mürrisch zu: »Ich weiß, daß Dr. Peltzer ausdrücklich darum gebeten hat, daß Ihr das Protokoll während dieses Verhöres führen sollt, aber im Grunde bezweifle ich Eure Befähigung für diese Aufgabe.«
    »Wie kommt Ihr zu dieser Annahme?« erwiderte Jakob.
    »Ich sehe es in Euren Augen. Ihr empfindet schon jetzt Mitleid mit der Angeklagten. Und dabei hat das Verhör noch gar nicht begonnen.«
    »Ich bin gekommen, um meine Aufgabe pflichtgemäß zu erfüllen.«
    Voß musterte ihn aus schmalen Augen. »Ihr seid noch sehr jung, Jakob. Habt Ihr jemals zuvor an einer peinlichen Befragung

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