Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Hexentage

Hexentage

Titel: Hexentage Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M Wilcke
Vom Netzwerk:
über die Winde gelegt wurde. Mit vereinten Kräften zogen der Scharfrichter und sein Knecht an dem Seil, bis die gepeinigte Frau den Boden unter den Füßen verlor und regungslos in der Luft hing. Für eine kurze Zeit war diese Strecklage nicht allzu schmerzhaft, doch die Peinkommissare bemühten sich nicht darum, die Befragung weiterzuführen, sondern saßen eine ganze Weile still und stumm da und verfolgten, wie Annas zunächst ruhiges Atmen in ein Keuchen überging. Jakob schätzte, daß mindestens zwanzig Minuten vergangen sein mußten, bis sich Voß erhob und vor die Angeklagte trat.
    »Ich frage Euch, ob Ihr Eure Ansichten inzwischen überdacht habt.«
    Annas Füße zuckten in seine Richtung, als hoffte sie, Voß einen Tritt versetzen zu können. »Ihr werdet mich nicht brechen können«, stöhnte sie. »Lieber sterbe ich vor Euren Augen, als daß ich die schrecklichen Verleumdungen eingestehe, die mir vorgeworfen werden. Selbst wenn Ihr mich bis zum Tag des jüngsten Gerichtes dieser Pein unterziehen wollt.«
    »Wir haben sehr viel Zeit«, erwiderte Voß. »Wenn es sein muß, lassen wir Euch die ganze Nacht dort hängen, aber ich erwarte nicht, daß das nötig sein wird. Glaubt mir, ich habe viele Frauen an diesem Seil auf die gleiche störrische Weise ihre Sünden bestreiten sehen, und ich weiß inzwischen sehr gut, daß eine solche Verstocktheit nur ein deutliches Indiz dafür ist, wie stark der Satan von Eurer Seele Besitz ergriffen hat. Er labt sich an Euren Qualen und verspottet Euch, also überwindet endlich den Einfluß, den der Antichrist auf Euch ausübt, und gesteht Eure Schuld ein, dann werden alle Schmerzen ein Ende haben.«
    Anna schüttelte verzweifelt den Kopf. »Ich schwöre bei Gott, ich bin und ich war immer eine gute Christin. Wer etwas anderes behauptet, ist ein Lügner.«
    Voß nahm ihre Beteuerungen mit einem enttäuschten Nicken |224| zur Kenntnis und gab dem Scharfrichter ein weiteres Zeichen, so daß Klare die Rute griff und sich der Angeklagten näherte. Mit stoischer Mine, aus der keine Regung herauszulesen war, erledigte er seine Pflicht und peitschte mit der Rute den Rücken der nackten Frau vor ihm. Jeder Hieb knallte mit einem lauten Klatschen auf ihren Rücken und hinterließ dort gräßliche rote Striemen. Annas Schreie bohrten sich wie Nägel in Jakobs Kopf. Nach jedem vierten oder fünften Schlag hielt der Scharfrichter inne und schaute in die Reihen der Peinkommissare, ob es der Prügel genug waren, doch von dort erhielt er nur die Aufforderung weiter zuzuschlagen. Erst nach dem dreißigsten Hieb hob Voß die rechte Hand und gebot der schrecklichen Bestrafung Einhalt.
    »Gesteht Eure Sünden, Weib!« rief einer der Peinkommissare, und ein anderer brüllte noch lauter: »Entsagt dem Satan, und Eure Seele wird errettet werden.«
    Anna wollte etwas sagen, doch sie brachte nur ein Stöhnen und Wimmern hervor.
    Wieder war es Voß, der zu ihr trat und wie mit einem Kind sprach, das eine Dummheit einzugestehen hatte.
    »Laßt uns der Pein Einhalt gebieten, gute Frau. Es bedarf Euch nur weniger Worte, um diesen Raum zu verlassen.«
    Anna schnappte nach Luft und krächzte: »Ich … bin keine … Hexe.«
    »Seid nicht dumm, Frau Ameldung. Eure Weigerung wird Euch nur noch weitere Schläge mit der Rute einbringen.«
    Er wartete auf eine Antwort, doch als Anna stumm blieb, erklärte er seufzend in Richtung des Scharfrichters: »Meister Klare, macht weiter.«
    Matthias Klare hob die Rute zu einem weiteren Hieb, doch Voß rief ihm zu: »Nicht den Rücken. Schlagt sie auf den Bauch und auf die Brust.«
    Diesmal verzog Klare mürrisch das Gesicht, folgte aber der Anordnung des Peinkommissars und verteilte Hieb um Hieb |225| auf Annas Bauch, ihren Brüsten und ihrem Unterleib. Jeder neue Schlag ließ Anna zusammenzucken wie einen Fisch an der Angelrute. Die schrillen Schreie aus ihrer Kehle schmerzten in Jakobs Ohren, bis er glaubte, sein Kopf würde zerspringen.
    Nach rund zwei Dutzend Hieben hatte auch diese Pein ein Ende, und Jakob spürte Übelkeit, als er Annas geschundenen, mit Striemen und blutenden Wunden übersäten Körper sah. Wie um alles in der Welt konnten die Kommissare derart teilnahmslos und gelassen das Geschehen betrachten? Gelegentlich nickten sie, als müßten sie sich selbst bestätigen, wie gewissenhaft sie ihre Arbeit verrichteten.
    Voß rief den Knecht des Scharfrichters zu sich, drückte ihm einige Münzen in die Hand und schickte ihn hinunter in die Taverne, um

Weitere Kostenlose Bücher