Hexentochter
schlimmer noch, ihr Herz? Amanda würde wahrscheinlich gleich das Schlimmste annehmen. In den guten alten Zeiten war Nicole ja schließlich auch mit Eli ausgegangen, weil sie sich von seiner finsteren Art angezogen gefühlt hatte.
Was Amanda und Holly wohl denken würden, wenn sie nicht nach Hause kam? Würden sie nach ihr suchen? Ging es ihnen gut? Amanda hatte versucht, ihr irgendetwas über eine Fähre zu sagen, aber Nicole hatte keine Zeit gehabt, ihr zuzuhören. Sie hat gesagt, Eddie sei tot. Nicole hatte ihn nicht so gut gekannt, dass sie um ihn trauern würde, und dennoch schauderte sie. Es konnte zu Hause nicht gut stehen. Wahrscheinlich brauchten sie sie, und jetzt konnte sie nicht mehr zu ihnen zurückkehren.
Ich lasse dich nicht einfach hängen, Amanda. Ich komme nur aus dieser Sache nicht heraus.
Sie schloss die Augen und kämpfte gegen einen hysterischen Lachanfall an. Amanda kannte sie gar nicht mehr. Nicole selbst kannte sich ja kaum.
Nein, früher hätte sie James wahrscheinlich sehr anziehend gefunden. Das gestand sie sich offen ein. Früher hatte sie »finster« mit »stark« verwechselt, ehe sie die Macht des Lichts zum ersten Mal gespürt hatte. Ehe Philippe sie im Arm gehalten hatte, während sie weinte.
Der Gedanke an ihn war wie ein Stich ins Herz. Sie war sicher, dass er versuchen würde, sie zu retten, doch sie konnte ja nicht wissen, wann. Ihre Aufgabe bestand darin, am Leben zu bleiben, bis er kam, koste es, was es wolle - und wenn sie dafür den Teufel heiraten musste.
Cathers-Anderson-Coven: Seattle, im November
»Was willst du hier?«, fragte Amanda in die Stille hinein.
Im Haus des Schamanen blickte Anne-Louise einem nach dem anderen fest in die Augen. »Euch, euch alle. Holly ist zum Mutterzirkel in Paris einbestellt worden, und alle sollen sie begleiten.«
»Warum sollten wir?«, fragte Holly.
»Weil wir euch helfen können.« Anne-Louise hielt den Raum noch einen Augenblick in ihrem Bann. Schließlich trat sie so weit wie möglich zurück, und alle begannen auf einmal zu reden.
Sie wartete geduldig mehrere Minuten lang. Als endlich alles besprochen war und Holly aufstand, kehrte Anne-Louise zu der Gruppe zurück.
»Wir werden mitkommen, aber nicht alle. Tante Cecile und Dan bringen Onkel Richard nach San Francisco. Dort können sie ihn besser schützen und sich auch um eine alte Freundin kümmern. Amanda, Kari, Tommy, Silvana und ich werden dich begleiten.«
Anne-Louise nickte und ließ sich ihre Erleichterung nicht anmerken. Dieses Gespräch war besser verlaufen, als sie sich hätte träumen lassen.
Der Privatjet stand am Flughafen bereit, und Holly konnte nicht anders, als ihn mit großen Augen anzustarren. Anne-Louise führte sie hinein,
und bald saßen alle in unglaublich weichen Ledersesseln.
»In der Bordküche findet ihr etwas zu essen und zu trinken«, erklärte Anne-Louise und zeigte dorthin. »Bitte bedient euch.«
Tommy, hilfsbereit wie immer, sprang auf und eilte hinüber. Gleich darauf kehrte er zurück, mit Softdrinks für alle und ein paar Erdnuss-Tütchen.
»Hast du schon mal daran gedacht, Steward zu werden?«, scherzte Kari.
»Reisen, interessante Begegnungen, einmalige Erlebnisse? Tut mir leid, ich glaube, davon habe ich bereits genug«, entgegnete er gutmütig.
Holly betrachtete Tommy. Der junge Mann war kein Hexer, aber er bemühte sich wirklich sehr. Als er Amanda ihr Getränk reichte, wurde sein Lächeln noch strahlender, und er streifte ihre Hand.
Holly sah nun Amanda an und fragte sich, ob ihre Cousine wusste, was Tommy für sie empfand. Wenn ja, ließ sie sich nichts anmerken. Du solltest ihm entweder das Herz brechen oder ihm ein bisschen Hoffnung machen, dachte Holly.
Als hätte Amanda sie gehört, wandte sie sich ihr zu und lächelte angespannt. Holly erwiderte das Lächeln schwach und sank dann in ihrem Sessel zurück. Es würde ein langer Flug werden.
Gwen: Auf dem Atlantik, 1666
Seit Tagen tobten Stürme um das Schiff. Überall lagen kranke und sterbende Menschen. Giselle, die sich jetzt Gwen nannte, hatte mit ihren drei Kindern London verlassen. Der Mutterzirkel war furchtbar zornig auf sie, und sie wollte mit den anderen nichts mehr zu tun haben.
Unter Deck legte sie Schutzzauber auf ihre Zwillingssöhne Isaiah und David und auf ihre Tochter Marianne. Sie alle vier waren noch gesund, der Göttin sei Dank. Die Menschen brauchten frische Luft, und die Enge tat ihnen nicht gut. Endlich verkündete einer der Matrosen, dass der
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