Hexentöchter: Erotischer Vampirroman (German Edition)
durfte nicht einmal daran denken, was er diesem Mädchen sonst noch angetan hatte. Er hatte sie
gestraft
, sie teilweise sogar gezwungen, ihm zu Willen zu sein! Und das vom ersten Moment, vom ersten Kuss an, auch wenn sie sich an diesen nicht erinnerte.
„Und du hast mich geküsst“, erwiderte Charlie mit einem schüchternen Lächeln. „Damals schon, vor dem Haus, als du mich aus den Slums heimbegleitet hast.“
Cyrill räusperte sich. Er wandte sich ab.
„Magst du mich denn gar nicht mehr?“
Es brauchte verdammt viel Kraft, sich nach ihr umzudrehen und ihr trauriges Gesicht ansehen zu müssen. Es drehte ihm das Herz im Leib herum. Aber er musste jetzt hart bleiben, und sie würde darüber hinwegkommen sowie alles vorüber war. Auf jeden Fall sehr viel schneller als er.
„Natürlich mag ich dich“, versuchte er, ihr ruhig zu erklären. „Aber meine Zuneigung hat sich geändert. Sie ist … ähem … väterlicher geworden.“ Er rang sich ein Lächeln ab und hoffte, dass es nicht zu verzweifelt ausfiel. Eswar höchste Zeit, dass sie den Raum verließ. Er begehrte sie so sehr, dass ihre Nähe wehtat.
„Väterlicher?“ Jetzt sah sie nicht mehr traurig, sondern zutiefst schockiert aus.
„Ja.“ Er räusperte sich. „Du lebst nur deshalb bei mir, weil deine Großmutter und ich vereinbart haben, dass ich mich in Zukunft als eine Art … Vormund um dich kümmere. Du wirst mit deinen wachsenden Fähigkeiten eine schwierige Zeit durchmachen, Charlie.“ Er ließ sich ihren Kosenamen auf der Zunge zergehen. Wie gut tat es, sie wenigstens zärtlich so nennen zu dürfen. „Dabei werde ich dir wie ein Mentor zur Seite stehen.“
Charlies Miene war von entsetzt zu ausdruckslos gewechselt. Sie begriff mit einem Mal, was wirklich los war. Und die Erkenntnis bestürzte sie und ließ zugleich ihr Herz schneller und freudiger schlagen. Der Druck, der seit zwei Tagen auf ihrer Brust gelegen war, der ihr die Kehle zugeschnürt hatte, löste sich. Ihr Mentor. Vormund. Darauf lief also alles hinaus! Das hatte Großmutter also gemeint, als sie gesagt hatte, Cyrill wäre in gewissen Dingen ein wenig
ehrpusslig
. Charlie hatte über diesen Ausdruck in Zusammenhang mit Cyrill gelacht, aber nun verstand sie.
Schließlich nickte sie. „Ja, nun sehe ich völlig klar. Ich weiß jetzt, was ich zu tun habe.“ Charlie war niemals jemand gewesen, der vor Problemen zurückschreckte, das hätte schon Großmutter nicht zugelassen, da Feigheit und Zaudern einer Hexe unwürdig waren. Sie drehte auf der Stelle um und marschierte hinaus. Bevor sie die Tür schloss, sah sie noch Cyrills verblüfftes Gesicht. Sie hatte tatsächlich begriffen, aber sie war nicht gewillt aufzugeben. Er hatte alles dafür getan, sie in sich verliebt zu machen; ob mit Absicht oder nur so nebenbei, blieb dahingestellt. Tatsache war, dass Charlotta di Marantes Cyrill Veilbrook jetzt liebte, und er nun eben die Konsequenzen tragen musste.
Oben, in ihrem Zimmer, holte Charlie eine kleine, unter ihrer Wäsche verborgene Flasche hervor. Sie öffnete sie, schnupperte daran und hielt sie gegen das Licht, um die glasklare Flüssigkeit darin zu studieren. Ihre Großmutter hatte ihr dieses Fläschchen vor ihrer Abreise nach London in die Hand gedrückt.
„Cyrill hat leider zu viele moralische Hemmungen“, hatte Agatha Baker gesagt. „Das hier wird ihm darüber hinweghelfen und ihm zeigen, wo sein Glück wirklich liegt.“
„Was ist drinnen?“ Als Charlie das Fläschchen misstrauisch beäugt hatte, hatte ihre Großmutter gelächelt. „Nur Kräuter. Keine Froschaugen, keine Fledermaushoden, Schlangeneier oder was immer. Wirklich nur Kräuter, in bestimmten Nächten des Jahres gepflückt und liebevoll mit Zaubersprüchen gerührt und gekocht. Du musst nur vorsichtig sein, damit er nicht bemerkt,wenn du es benützt. Du kannst es auf zweierlei Arten verwenden: entweder du schüttest drei Tropfen – aber wirklich nur
drei
, Charlotta! – in seinen Wein, oder du trinkst es selbst. Aber nur einen winzigen Schluck, nicht mehr!“
Charlie hatte sie erstaunt angesehen. „Es wirkt auch indirekt?“
„Durch einen Kuss oder eine sehr intime Berührung.“
„Und wie lange wirkt es?“
„Nur wenige Minuten, aber das genügt, um dir seine völlige Aufmerksamkeit zu schenken und ihn zu
überreden
.“ Ihre Großmutter hatte gelächelt, und Charlie hatte das Fläschchen fest mit den Fingern umschlossen.
Es war nicht ganz fair, aber wie sonst konnte sie Cyrill dazu
Weitere Kostenlose Bücher