Hexentöchter: Erotischer Vampirroman (German Edition)
überschreiten und ganz wenige Menschen, die vertrauenswürdigwaren. Oder die – wie ihre Mutter in ihrer groben, trockenen Art behauptete – so viel Dreck am Stecken hatten, dass sie gar nicht auf die Idee kamen, Lady Hagas außergewöhnliches Haus zu verraten.
„Eine Versammlung? Versäume ich etwas?“ Die laszive, dunkle Stimme ließ alle zur Tür sehen. Darin stand Angelo, Tante Hagas ebenso engelhafter wie dämonisch schöner Gespiele. Wobei dämonisch hier wahrhaft zutreffend war, denn Angelo war weder der Zunft der Hexen zuzurechnen, noch gehörte er zu den Vampiren oder anderen körperlichen Wesen. Er war ein Dämon und in seiner menschlichen Gestalt ungeheuer attraktiv. Die Mädchen seufzten, und Tante Hagas Blick wurde begehrlich.
Charlie hatte sich beim Klang dieser Stimme ebenfalls herumgedreht. Angelos Wirkung auf Wesen jeder Art – wirklich
jeder
Art – war verheerend. Wenn er es darauf anlegte, verfielen ihm Männer und Frauen schon mit einem einzigen Blick.
Wie Charlie von Sebastian gehört hatte, war früher Venetia Hagazussas Favoritin gewesen und hatte Bett und Zimmer mit ihr geteilt, aber seit Angelo vor einem halben Jahr in das Leben ihrer Tante getreten war, hatte sie sich ihm fast vollständig zugewandt. Sie teilte Angelo zwar manchmal mit anderen, aber immer nur in ihrem Beisein und mit ihrem Einverständnis.
Seltsamerweise erweckte er in Charlie nie mehr als nur ein gewisses vages Interesse, was möglicherweise an ihrem profunden Misstrauen gegen Dämonen lag. Von allen übersinnlichen Wesen erschienen sie ihr am bedrohlichsten, am wenigsten erfassbar. Die meisten waren nicht mehr als Schatten, körperlose Kreaturen, wie sie ihr an diesem Abend in den Slums begegnet waren. Andere, wie Angelo, konnten jede ihnen beliebige Gestalt annehmen. Grund genug für Charlie, ihn mit Argwohn zu betrachten. Aber auch sonst wäre sie kaum in Versuchung gekommen, sich ihm, wie vor zwei Tagen Rosanda, in den Weg zu werfen, seine Knie zu umklammern, und ihn anzuflehen, sie auf der Stelle zu nehmen. Angelo hatte jedoch nur gelacht, und eine sehr empörte Lady Haga hatte Rosanda auf ihr Zimmer geschickt.
„Wir sprechen gerade über Vampire“, sagte Haga, deren Wangen sich bei Angelos Anblick gerötet hatten.
„Vampire?“, Angelo lächelte, und Venetia und Rosanda seufzten im Duett.
Er glitt mit seinem geschmeidigen Gang auf Haga zu und legte den Arm um ihre Taille, wobei er gleichzeitig einen Kuss auf ihren Hals hauchte. Sie erschauerte.
Charlie wandte sich von Angelo ab – was ihr offenbar als Einziger im Raum gelang - und betrachtete Frederick. Dessen Blick wanderte von ihrer Tante zu Angelo, und seine Lippen pressten sich zu einem Strich zusammen, dann drehte er sich abrupt um und ging. Charlie folgte ihm. Erblieb mitten in der Halle stehen, die Hände in den Hosentaschen vergraben, und starrte auf seine Schuhspitzen. Sie trat zu ihm hin, legte ihm die Hand auf den Arm und lächelte, als er sich umdrehte. Sein ernstes Gesicht erhellte sich. Frederick war nur knapp mittelgroß und sein breites Gesicht mit den weit auseinanderstehenden Augen wirkte im Vergleich zu Angelos Zügen nichtssagend, aber Charlie fand seine zurückhaltende Art weit angenehmer als Angelos spöttische, erotische Ausstrahlung. Sie hätte ihm das gerne gesagt, schon um ihn zu trösten, da es so offensichtlich war, wie sehr er Tante Haga verehrte, aber dann wandte sie den Blick ab. Mitleid war etwas, das ein Mann in seiner Situation am wenigstens wollte.
Er interpretierte ihre Miene zum Glück falsch, denn er legte seine Hand über ihre und drückte sie leicht. „Machen Sie sich keine Sorgen um Theo. Der kann schon auf sich aufpassen. Außerdem habe ich mich umgehört: Sein Mentor ist Merlot.“
„Dieser geheimnisvolle altfranzösische Adelige?“, fragte Charlie naserümpfend.
Frederick grinste. „Er stammt tatsächlich aus einer alten Familie. Aber er ist kein schlechter Mann. Er wird auf Theo aufpassen.“
„Danke.“ Charlie gab ihm einen Kuss auf die Wange und lief die Treppe hinauf in ihr Zimmer.
Charlie war im Nachthemd, hatte ein Tuch um die Schultern gelegt und saß mit überkreuzten Beinen auf ihrem Bett, auf den Knien eines der alten Hexenbücher ihrer Tante. Neben ihr lag ein kleineres Buch, in dem sie von Zeit zu Zeit mit Bleistift Notizen machte. Dies war ihre Abendbeschäftigung, seit sie in London angekommen war und erfahren hatte, dass ihr Bruder neuerdings die Gegend als Vampir unsicher machte.
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