Hexentöchter: Erotischer Vampirroman (German Edition)
Zum Glück war die Bibliothek ihrer Tante relativ groß, wenn auch bei weitem nicht so umfangreich wie jene ihrer Großmutter, und so war sie jeden Abend damit beschäftigt, die alten, magischen Schriften nach Informationen über Vampire und andere Untote zu durchforsten. Da die anderen Hausbewohner ohnehin meist am Abend und während der Nacht mit Kunden beschäftigt waren, fiel es auch nicht weiter auf, wenn Charlie sich zeitig zurückzog.
Die konzentrierte kleine Falte zwischen ihren Augenbrauen verschwand, als es an der Tür klopfte, und Hagazussa eintrat. Entgegen ihrer sonstigen Gewohntheit setzte sich ihre Tante jedoch nicht zu ihr aufs Bett, sondern blieb mit einem für sie ungewöhnlich verlegenen Ausdruck mitten im Zimmer stehen.
„Peggy hat Venetia erzählt, dass du von einem Gentleman heimbegleitet wurdest. Stimmt das?“
Charlie hob erstaunt die Augenbrauen. „Ja. Ein gewisser Cyrill Veilbrook. Weshalb?“
„Veilbrook? Also doch!“
Charlie schlug bei dem alarmierten Ton ihrer Tante das Buch zu. „Kennst du ihn etwa?“
Tante Haga lief unruhig im Zimmer umher. „Sei vorsichtig mit Veilbrook, Charlie. Er ist kein Mann, mit dem man spielen sollte.“
„Das habe ich auch nicht vor“, erwiderte Charlie amüsiert. Sie hatte ihm keine übermäßige Beachtung geschenkt, weil sie andere Probleme hatte, als abenteuerlustige Gentlemen, die sich in verrufenen Gegenden herumtrieben. Aber wenn sie jetzt zurückdachte, dann hatte er keinen so schlechten Eindruck gemacht - sofern man von seiner Arroganz absah. Jedenfalls war ihr nichts an ihm aufgefallen, was Hagas Warnung rechtfertigen würde. Außer vielleicht … Charlie leckte sich über die Unterlippe. Ihr fehlten immer noch einige Minuten vor dem Haus. Oder bildete sie sich das nur ein?
Tante Haga setzte sich neben sie auf das Bett und nahm ihre Hand. „Was ich damit sagen wollte, meine Liebe: Geh ihm aus dem Weg. Er ist gelegentlich Kunde, auch wenn er längere Zeit nicht in London war.“
Das machte einiges klarer. Jetzt brauchte sie sich nicht mehr darüber zu wundern, dass er in diesem verrufenen Viertel herumspaziert war. Tante Hagas Kunden waren für ihren äußerst ausgefallenen Geschmack bekannt.
„Sollte er im Haus sein“, fuhr Tante Haga fort, „bleibe auf deinem Zimmer. Und sollte er dir doch über den Weg laufen, dann sei höflich, aber kurz angebunden.“
„Etwas anderes wäre mir auch nicht eingefallen.“ Charlie legte das schwere, handgeschriebene Buch zur Seite und sah ihre Tante fragend an. „Was ist los mit diesem Veilbrook? Was stimmt nicht mit ihm?“
„Gar nichts stimmt mit ihm, würde ich sagen“, entgegnete Haga trocken. „Von seinem Vermögen und seiner Großzügigkeit in pekuniären Dingen einmal abgesehen. Niemand weiß, woher er kommt, was er tut oder wer oder was er überhaupt ist. Ich weiß nur, dass er den Ruf hat, sehr gefährlich zu sein. Sogar die Vampire machen einen großen Bogen um ihn.“
Charlie stützte die Ellbogen auf ihre Knie und klopfte sich mit dem Zeige-finger auf die Unterlippe, wie sie das immer tat, wenn sie etwas irritierte oder nachdenklich stimmte. „Nicht nur Vampire, auch Dämonen.“
„Woher weißt du das?“
„Ich hatte Theo besucht und mich dann ein wenig verlaufen. Dabei kam ich in … nun weniger angenehme Viertel in der Nähe der Themse. Und dort treiben sich wirklich unheimliche Gestalten herum – womit ich jetzt nicht die menschlichen Halsabschneider meine. Aber kaum tauchte Veilbrook auf, haben sie sich verzogen.“
Hagazussa fuhr vor Schreck in die Höhe. „Du warst in den Slums?! Wie konntest du nur? Das ist doch viel zu gefährlich! Selbst ich würde mich da nur tagsüber hinwagen. Die Einzigen, die ich kenne, die nach Einbruch der Dunkelheit dort durchgehen und unbeschadet wieder rauskommen können, sind Mutter und Veilbrook!“
Charlie wischte die Gefahr mit einer eleganten Handbewegung weg, ihr erschien Veilbrook plötzlich interessanter als ein paar heruntergekommene Dämonen. Der Abschied vor dem Haus … Da war immer noch diese mysteriöse Leere in ihrem Kopf, die ihr mit jedem Augenblick verdächtiger erschien. Wieder tastete sie über ihre Lippen, als würde sie dort etwas Fremdes, aber nicht Unangenehmes fühlen. Nein, bestimmt nicht unangenehm. „Veilbrook weiß also Bescheid über deine Art von Diensten?“
Tante Haga bemühte sich um einen würdevollen Ausdruck. „Wenn du damit meinst, dass wir hochgestellten und auserwählten Besuchern
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