Hexentöchter: Erotischer Vampirroman (German Edition)
Als sie Mastersons erstaunten Ausdruck sah, sagte sie beiläufig. „Mach nicht so ein dummes Gesicht, mein Junge, nimm auch den Hut.“ Sie reichte dem Diener das beeindruckende Gebilde. „Nein, mein Stock bleibt bei mir. Von dem trenne ich mich nie. Und jetzt geh, mein Junge.“ Masterson verneigte sich auf für ihn außergewöhnlich ehrerbietige Art und verschwand.
Cyrill grinste widerwillig. Es konnte auch nur jemandem wie Agatha Baker einfallen, einen über sechzigjährigen Mann mit „mein Junge“ anzusprechen.
„Und was verschafft mir jetzt das Vergnügen?“
Agatha betrachtete ihn aus zusammengekniffenen Augen, und ihm wurde mit einem Schlag die Ähnlichkeit zwischen ihr und Charlotta bewusst. Agatha hatte zwar weißes Haar und einige Fältchen, aber die Augen strahlten in demselben, intensiven hellen Grau, in dem sich ungebrochene Neugier und Lebenslust widerspiegelte. Noch ein Grund mehr für Cyrill, seine Blindheit zu verdammen. Allein dieses verflixte
Baker
hätte alle Alarm-glocken in ihm läuten lassen müssen. Aber er war anfangs so versessen darauf gewesen, die vermeintliche Succuba in seine Finger zu bekommen, und danach so verrückt nach seiner wunderbaren neuen Geliebten, dass sein Verstand ihn völlig im Stich gelassen hatte.
„Willst Du mir nicht Platz anbieten?“
„Selbstverständlich.“ Cyrill bezähmte nur mit Mühe seine Ungeduld. Es drängte ihn danach, sofort nach Charlotta zu suchen, und während er deren Großmutter zu höflich zu einem der bequemen Lehnstühle führte, überlegte er, wohin sie geflohen sein konnte. Sie hatte sich mit ihrem Bruder treffen wollen. Möglicherweise hatte dieser etwas abseits vom Haus in einer Kutsche auf sie gewartet. Ins direkte Tageslicht konnte er ja noch nicht. Dieser Vampir war bestenfalls für sie gefährlich, aber nicht der geringste Schutz. In Cyrill stieg der Verdacht hoch, dass Theo vielleicht von Arsakes gezwungen oder beeinflusst worden war. Hatte er die Absicht, Charlie zu entführen?
Agatha ließ sich aufatmend in den Lehnsessel sinken, und lehnte ihren Stock neben sich an ein Tischchen. Cyrill kannte den Stock so gut wie jeder andere, der Agatha Bakers Bekanntschaft gemacht hatte. Er war über und über mit in Gold eingelegten Gravuren bedeckt. Für einen unbedarften Betrachter waren es hübsche Muster, aber der Eingeweihte erkannte magische Zeichen. Er vermutete, dass ein Großteil von Agathas Macht auf diesem Stock beruhte.
Agatha streckte die in weichen Stiefeln steckenden Beine von sich. „Ach, ich bin nicht mehr die Jüngste, ich merke es immer wieder.“
„Tee?“ Er griff nach der Klingel, aber da war Masterson schon da. Agatha hatte etwas an sich, das jeden in ihrer Nähe bestrebt sein ließ, ihr so schnell wie möglich zu Diensten zu sein.
„Danke.“ Sie nahm die Tasse entgegen und schnupperte genüsslich das Aroma des Tees. „Ah. Wie gut das tut.“
Cyrill war zu unruhig, um ebenfalls Platz zu nehmen. Aber eine Agatha Baker drängte man nicht einmal dann, wenn man Cyrill Veilbrook hieß. Und wenn sie es für nötig befunden hatte, ihn aufzusuchen, dann hörte er sich den Grund auch besser an. Zweifellos hatte es mit Charlotta zu tun, vielleicht sogar mit der alten Prophezeiung. Sein Leben hatte sich seit diesem ersten Treffen am Rande der Wüste oftmals mit jenem von Megana, die sich seit etwa einhundert Jahren Agatha Baker nannte, gekreuzt. Sie waren gute Bekannte geworden, aber so etwas wie Freundschaft zwischen ihnen hatte sich erst nach dem Überfall auf Charlottas Eltern und nach Horatios Tod entwickelt.
Er beobachtete sie, als sie den Tee in kleinen Schlucken trank. „Vielleicht solltest du mit etwas konventionelleren Mitteln reisen, Agatha.“
„Humbug! Weißt du, wie lange ich mit einer Kutsche hierher brauchen würde? Ganz zu schweigen von diesen erbärmlichen Straßen! Ich darf gar nicht daran denken, wie viel angenehmer man damals unter Julius Cäsar gereist ist. Die Römer, ja, die haben etwas vom Straßenbau verstanden, aber diese Leute?“ Sie schnaufte abfällig. „Und auf dem Kontinent sind sie noch schlimmer, dabei sollte man doch meinen, sie hätten nach Julius’ Tod Zeit genug gehabt, etwas dazu zu lernen. Nichts als Löcher in den Straßen, wo die Kutsche durchrumpelt, dass jedem Fahrgast über vierzig die Knochen durcheinander wirbeln!“
Sie griff nach einem der wohlduftenden Plätzchen, das Masterson mit dem Tee gebracht hatte, und biss herzhaft hinein. „Hervorragend. Einfach
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