Hexentraum
geblieben, und sie wusste, dass sie ihm deshalb ihr Leben verdankte. Ohne ihn wäre sie einige Male einfach liegen geblieben, um zu sterben. Seine Kraft hatte sie gestützt, sie gerettet. Jetzt hörte sie, wie er bei jedem Schritt vor Schmerz keuchte, und sie wusste, dass sie das Gleiche für ihn tun musste.
Sie nahm seine Hand und befahl ihrer Energie, sich mit seiner zu verbinden. Ihr geschundener Körper sollte seinem helfen, so dass sie ihren Schmerz teilen und einander ein wenig heilen konnten. Ein ersticktes Schluchzen von Tommy sagte ihr, dass es funktionierte, und ihr selbst traten Tränen in die Augen, als sein Schmerz sie durchfuhr. Auch er war verletzt und gebrochen, und ihre angeknacksten Rippen stöhnten vor Mitgefühl mit den seinen.
Er hat für mich so viel auf sich genommen, weil er mich liebt. Tommy hätte nicht hier sein müssen, aber er war da. Plötzlich breitete sich die vollkommene Überzeugung in ihr aus, dass er immer da sein und noch mit seinem letzten Atemzug ihren Namen rufen würde.
Irgendwie machte das alles ein bisschen besser. Nicole war fort, entführt von Eli und James. Holly war wahnsinnig geworden und inzwischen vielleicht tot. Cecile, die für Amanda fast wie eine Tante gewesen war, hatte Holly retten wollen und war dabei umgekommen. Die Göttin allein wusste, wo die anderen waren, darunter auch Amandas Vater, und ob sie noch lebten. Aber Tommy war bei ihr.
Und die Göttin ebenfalls. Amanda hatte stundenlang auf dem Boden gelegen und dabei die leise, ruhige Stimme gehört, die angeblich so viele andere hören konnten. Die sanfte Frauenstimme hatte Amanda Ermunterungen zugeflüstert und ihr befohlen, nicht aufzugeben.
Sie hatte immer daran geglaubt, dass es die Göttin gab. Man kann auch kaum daran zweifeln, wenn man plötzlich Sachen in der Luft schweben lassen kann und tote Ahnen durch seine Cousine sprechen hört. Doch trotz der Beschäftigung mit all dem übernatürlichen Zeug war die Göttin ihr nie erschienen oder hatte zu ihr gesprochen. Sie war nur Holly erschienen. Anfangs war Amanda neidisch gewesen und später, als alles immer schlimmer wurde, eher erleichtert. Manchmal war es leichter, nicht mit so viel... Wirklichkeit fertig werden zu müssen.
Amanda war nie eine Anführerin gewesen, doch sie wusste, dass sich das ändern musste. Die Göttin hatte ihr das ins Herz geflüstert, sie hatte zu Amanda gesprochen und ihr in dem brennenden Wald wieder auf die Füße geholfen, als sie nur noch im Schmutz liegen bleiben wollte. Amanda wusste nicht, ob ihr nach Lachen oder Weinen zumute war. Sie war nicht gerade die geborene Anführerin, denn der Einzige, der ihr je irgendwohin gefolgt war, war Tommy.
Sie wandte sich zu ihm um. Sie waren vermählt, durch eine magische Hochzeit aneinandergebunden, Fürstin und Fürst, und darüber war sie sehr, sehr glücklich. Alle Magie und Kraft, die einem von beiden zur Verfügung stand, konnte man nun mit dem anderen teilen. Tommy sah aus, als würde er gleich vor Erschöpfung zusammenbrechen. Ihr selbst erging es nicht anders. Sie mussten sich ausruhen, und zwar bald.
Sie drückte seine Hand. Das Motel schien nicht allzu weit weg zu sein. Wenn sie noch fünf Minuten durchhielten, so glaubte sie, müssten sie es erreichen können.
Er wandte sich ihr zu und sagte: »Einverstanden.«
Sie riss den Mund auf. »Hast du meine Gedanken gelesen?«
Tommy lächelte schwach. »Ich konnte schon immer deine Gedanken lesen, Amanda. Auf meine eigene Art.«
»Ich hatte keine Ahnung, was in dir vorging«, gestand sie.
»Ich weiß. Aber jetzt...«
»Jetzt.« Sie neigte sich ihm zu, damit er sie küsste. Es war ein besonderer, lieblicher Augenblick.
Sie gingen weiter, und Amanda fühlte sich ein wenig gestärkt, während sie den Rest des Weges schweigend dahinstolperten. Bald war sie nur noch damit beschäftigt, durch schiere Willenskraft einen Fuß vor den anderen zu setzen. Ihre Gedanken an die Göttin und Tommy traten immer mehr zurück und waren bald nichts weiter als ein sanftes Summen in ihrem Hinterkopf. Nur noch ein paar Schritte, sie würden es gleich geschafft haben.
Sie blickte auf und entdeckte eine einsame Gestalt, die sie anstarrte. Trotz der zerrissenen Kleidung, dem rußgeschwärzten Gesicht und den versengten Haaren kam ihr die Person bekannt vor. Sie taumelten hinüber, und ihr Herz machte einen Satz. Es war Pablo, das jüngste Mitglied des Zirkels der Weißen Magie. Der Junge sah elend aus, und sein linkes Auge starrte ihr mit
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