Hexenvisionen: Romantic Thriller (German Edition)
schließlich war er Butler. Jedwede offene Gefühlsregung hätte gegen seinen Status verstoßen.
„Sie sind ein ganz durchtriebener Kerl“, beschwerte sich Sir Thomas, dem aufging, was sein Butler getan hatte.
„Ja, Sir, wie Sie meinen.“
„Sie haben mir etwas in den Tee getan.“
„Es tut mir leid, Sir, aber ich hielt es für erforderlich.“
„Ich hoffe, Sie haben jetzt wenigstens die Zeit genutzt, um Vorbereitungen zu treffen“, grollte Harding.
„Selbstverständlich, Sir.“
„Können wir dann endlich loslegen?“, knurrte der Professor noch etwas ungehalten.
„Ganz wie Sie wünschen.“
Sir Thomas nahm den großen Bentley. Der Wagen war zwar schwer, aber dennoch schnell und wendig. Außerdem bot er einen gewissen Komfort. Harding war überzeugt davon, dass er Helen finden würde, aber niemand konnte vorhersagen, in welchem Zustand sie sich befand. Und es wäre sicher angenehmer für sie, in einem bequemen Wagen zu fahren, vielleicht würde sie den gewissen Luxus brauchen. Falls man sie überhaupt fand. Aber diese Gedanken verbot sich der Professor. Er wollte sie einfach finden.
Durch die nächtlichen Straßen ging die Fahrt zu ihrem Ziel recht schnell voran, und wenig später kamen Harding und sein Butler vor dem Haus an, in dem Helen zuletzt gesehen worden war. Harding sah zu, wie sein Butler fachmännisch die Haustür öffnete. Drinnen machte er dann kein Licht, sondern suchte mit einer Taschenlampe seinen Weg. Sir Thomas hatte ebenfalls eine Taschenlampe und folgte seinem Butler auf dem Fuße. Der stand schließlich vor der Stahltür, die ihm bei seinem ersten Besuch Widerstand geboten hatte.
Jenkins nahm ein Etui aus der Tasche, darin befand sich ein regelrechtes Einbrecherbesteck.
„Ich sollte wohl besser nicht fragen, wo Sie das herhaben“, bemerkte Sir Thomas seufzend.
„Ich denke, Sir, darauf müsste ich Ihnen auch die Antwort schuldig bleiben“, bemerkte Jenkins gemessen.
Es dauerte nicht lange, bis die Tür unter des Butlers beharrlichem Zutun aufgab und sich öffnete.
„Als diese Häuserzeile gebaut wurde, hatte man aus unerfindlichen Gründen Verbindungsgänge zu fast allen anderen Häusern angelegt“, erklärte Jenkins. „Ich weiß allerdings nicht, inwieweit die Gänge heute noch vorhanden und intakt sind, jedenfalls gab es ein regelrechtes Labyrinth unterhalb der Gebäude. Es kann unter Umständen sein, dass wir lange suchen müssen.“
„Das ist mir ziemlich egal“, erklärte Sir Thomas wegwerfend. „Ich will Helen wiederfinden. Hier oder anderswo.“
„Ja, Sir. Das ist auch mein Bestreben.“
Jenkins ging voran in die unbekannte Dunkelheit.
Der scharfgebündelte Lichtstrahl seiner Taschenlampe beleuchtete nur wenig von den Wänden rechts und links, doch Sir Thomas bemerkte trotzdem, dass die Wände sauber verputzt worden waren, und das vor nicht allzu langer Zeit. Es musste also jemanden geben, der diesen Gang regelmäßig benutzte. Er fragte sich für einen kurzen Augenblick, wie man Geheimgänge renovierte, ohne dass in den Häusern oben jemand etwas bemerkte. Aber dann schob er diese Frage beiseite, sie war im Augenblick nicht relevant.
Die beiden Männer kamen an einigen Türen vorbei, die jedoch alle verschlossen waren. Irgendwo und irgendwann gabelte sich der Gang, und sie überlegten kurz, welche Richtung sie nun einschlagen sollten, wobei Sir Thomas sich mehr auf den Instinkt seines Butlers verließ als auf seine Ahnungen. Plötzlich hörten sie ein Geräusch.
Rasch drückten sie sich eng in eine Nische hinein. Jemand ging den Gang entlang, den Schritten nach ein Mann. Das Geräusch der Schritte verklang gleich darauf, als sich eine Tür öffnete und wieder schloss.
„Sollen wir ihm folgen?“, raunte Jenkins.
„Nein, ich glaube nicht. Probieren wir es erst woanders, ich will noch keine Konfrontation. Nicht, bevor ich etwas über Helen weiß.“
Die beiden Männer hielten sich links, und die nächste Tür war unverschlossen, wie sie zu ihrer Überraschung feststellten.
In dem Raum brannte Licht, und was die Männer sahen, gefiel ihnen eigentlich gar nicht.
*
Helen hatte ein Tablett vor sich stehen, auf dem eine köstliche Mahlzeit verlockend duftete, sowie auch einen großen Krug mit Wasser. Ihr Magen knurrte erbärmlich, und ihr Mund war fast ausgetrocknet. Trotzdem hatte sie Angst, etwas von den Speisen oder dem Wasser anzurühren. Mittlerweile war sie sich sicher, dass sich ihr Gedächtnisschwund auf eine Droge zurückführen
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