Hexenvisionen: Romantic Thriller (German Edition)
Sir Thomas, behaupteten, musste es doch eine Möglichkeit geben, geistig um Hilfe zu rufen.
Helen hatte nicht die geringste Ahnung, wie sie das anstellen sollte, zumal sie nicht einmal ernsthaft daran glaubte. Doch einen Versuch war es immerhin wert. Sie setzte sich aufrecht auf das Bett und begann sich zu konzentrieren. Sie rief geistig immer wieder um Hilfe, in der Hoffnung, dass irgendjemand diesen Ruf empfangen möge. Innerlich schalt sie selbst eine Verrückte, aber das war nun mal das einzige, was sie im Augenblick tun konnte. Und außerdem war es besser als herumzusitzen und zu grübeln. Das angestrengte Nachdenken brachte schließlich auch kein Ergebnis.
Irgendwann ging die Tür auf, und O’Bannon kam herein. Er lächelte, als er sie da sitzen sah.
„Ich sehe, Sie üben, meine Liebe. Das ist gut.“
Helen brach ihre Konzentration abrupt ab.
„Ich will hier raus!“, sagte sie klar und deutlich.
„Aber natürlich wollen Sie das, meine Liebe. Und es wird auch gar nicht mehr lange dauern. Ich freue mich zu sehen, dass Sie endlich auf dem richtigen Weg sind. Bald ist die große Versammlung, bei der sie offiziell in unsere Gilde aufgenommen werden. Und danach können Sie gehen, wohin Sie wollen.“
„Sofern es Ihren Zielen entspricht“, warf Helen treffend sarkastisch ein.
Er lächelte fein. „Haben Sie etwas anderes erwartet?“
*
Ein scheinbar uraltes Buch lag aufgeschlagen auf einem Tisch, die Blätter bestanden aus Pergament und waren mit seltsamen Schriftzeichen bedeckt, der Einband war aus Leder mit Silberbeschlägen, und davor saß Moira, die Gildenmeisterin und starrte angestrengt auf die unverständlichen Schriftzeichen.
„Allein schaffe ich es einfach nicht“, sagte sie zu O’Bannon, als dieser hereinkam. „Ich brauche unbedingt die Frau, die den Kontakt zur anderen Welt aufbaut, um dies hier zu verstehen. Wie gut, dass du frühzeitig ihre Gabe erkannt hast.“
„Es wird nicht mehr lange dauern“, erwiderte O’Bannon beruhigend. „Ich bin sicher, dass sich Mrs. Jefferson voll und ganz auf unsere Seite stellen wird. Freiwillig oder nicht.“
„Und dann werden wir endlich die letzten großen Geheimnisse erfahren und endlich die Macht ausüben können, die uns zusteht“, rief Moira begeistert. „Was meinst du, wie lange wird es noch dauern, bis sie soweit ist?“
„Ich denke, wenn wir sie noch ein oder zwei Tage schmoren lassen, werden wir es relativ einfach haben. Wir müssen ihren Widerstand brechen, und dann wird sie uns helfen, ob sie will oder nicht.“
„Und dann endlich werden wir die letzten Geheimnisse dieses Buches ergründen können.“ Moiras Stimme klang sehnsüchtig, aber auch machtbesessen, sie war bereit, jeden Widerstand zu brechen, um an ihr Ziel zu kommen. Und O’Bannon unterstützte sie augenscheinlich vorbehaltlos.
„Ja, meine Liebe, dann haben wir es endlich geschafft“, stellte er befriedigt fest. „Wir sollten schon einmal die Aufnahmezeremonie vorbereiten. Wir werden ein bisschen nachhelfen, damit Helen in den entsprechenden Zustand gerät. Sie wird mit Freuden das Tor zur anderen Welt öffnen.“
„Ja, so machen wir es“, sagte Moira mit leuchtenden Augen.
Keiner von beiden hatte bemerkt, dass ihr Gespräch belauscht worden war. Dalrina saß in einer versteckten Nische und hörte entsetzt zu. Die Hexe Ersten Grades war von Abscheu erfüllt. Auch sie hätte gern die Macht besessen, nach der die beiden strebten, doch sie würde sie auf ehrliche Weise haben wollen. Niemals würde sie mit Zwang einen anderen beherrschen wollen, um Schwarze Magie auszuüben.
Deshalb stand es für sie jetzt fest, dass sie Helen schnellstens helfen musste, sonst war die Reporterin verloren. Sie musste sie einfach befreien.
Lautlos zog sich Dalrina zurück, noch immer unbemerkt von den beiden anderen.
*
In dem normalen Krankenzimmer, in das man ihn endlich gebracht hatte, lag Raymond Brody allein und starrte aus dem Fenster. Er dachte nach. Er versuchte, die letzten bewussten Augenblicke zu rekonstruieren, bevor ihn dieser furchtbare Schmerz zu Boden geworfen hatte. War es wirklich Helens Gesicht gewesen, das er da gesehen hatte? Das ihn triumphierend angelächelt hatte? Oder spielte ihm sein Unterbewusstsein einen Streich? Warum auch sollte ausgerechnet Helen in seinen Gedanken erscheinen? Natürlich, er dachte viel an die Frau, die ihn so gnadenlos abblitzen ließ, wenn er auf seine Art versuchte freundlich zu sein. Aber ausgerechnet in dem
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