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Hexer-Edition 02: Als der Meister starb

Hexer-Edition 02: Als der Meister starb

Titel: Hexer-Edition 02: Als der Meister starb Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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See«, sagte Bannermann überflüssigerweise. »Was halten Sie davon, wenn wir hinübergehen und uns einen Moment ausruhen?«
    Ich wollte widersprechen, aber ein Blick in die Gesichter der Männer, die uns begleiteten, ließ mich abrupt verstummen. Ich war bisher der Meinung gewesen, als einziger müde und zerschlagen zu sein, aber das stimmte nicht. Wir waren alle mit unseren Kräften am Ende. Und es spielte keine Rolle, ob wir eine halbe Stunde früher oder später nach Goldspie kamen. So nickte ich nur wortlos.
    Bannermann gab seinen Männern einen stummen Wink. Wir verließen die Straße und bewegten uns im rechten Winkel von ihr fort und auf den See zu. Das Gehen auf dem rohen, unbearbeiteten Boden war weniger schwierig, als ich erwartet hatte, und wir brauchten kaum zehn Minuten, um den See zu erreichen.
    Die Stille fiel mir auf. Hatte uns bisher außer dem monotonen Lied des Windes auch hier und da das Zwitschern eines Vogels und ein gelegentliches Huschen und Flüchten im Gebüsch begleitet, so schienen wir uns jetzt durch ein Gebiet absoluten Schweigens zu bewegen. Selbst das Geräusch des Windes wurde leiser und unwirklicher, je mehr wir uns dem See näherten.
    Ich vertrieb auch diesen Gedanken und zwang mich, mich auf meine Umgebung zu konzentrieren. Ich war nervös und überreizt, das war alles.
    Neben Bannermann erreichte ich den See, balancierte mit ausgebreiteten Armen die nicht sehr hohe, aber steile Böschung hinunter und ließ mich dicht vor der Wasserlinie zu Boden sinken. Ich merkte plötzlich wieder, wie müde ich war.
    »Das muss Loch Shin sein«, murmelte Bannermann halblaut. »Ich dachte, es wäre größer.«
    »Loch was?«, machte ich.
    Bannermann lächelte flüchtig. »Loch Shin«, wiederholte er. »Die Einheimischen nennen diese kleinen Seen Loch.« Er schwieg einen Moment, und dem breiter werdenden Grinsen auf seinen Zügen nach zu schließen, musste mein eigener Gesichtsausdruck mit jedem Moment intelligenter werden.
    »Der Name ist nicht so unpassend, wie Sie vielleicht denken, Craven«, sagte er. »Tauchen Sie die Hand ins Wasser.«
    Ich zögerte noch einen Moment, zuckte dann mit den Achseln und tauchte die Linke bis zum Handgelenk in das reglos daliegende Wasser des Sees.
    Ich zog sie allerdings genauso schnell wieder zurück. Das Wasser war mehr als kalt. Es war eisig.
    Bannermann grinste noch ein bisschen breiter. »Das Ding ist wirklich ein Loch«, erklärte er. »Mindestens fünfmal so tief wie breit.«
    »Sie wissen eine Menge über diese Gegend, nicht?«, fragte ich.
    Bannermann nickte, ließ sich zurücksinken und verschränkte die Hände hinter dem Kopf. »Ich bin hier geboren«, antwortete er. »Nicht hier in Goldspie, aber in Schottland. In Aberdeen. Kennen Sie Aberdeen?«
    Ich verneinte, und Bannermann fuhr nach einer Weile fort: »Eine Hafenstadt, knapp hundert Meilen von hier. Man muss sie nicht unbedingt kennen. Vielleicht«, fügte er mit einem schwer zu deutenden Lächeln hinzu, »ist es sogar von Vorteil, noch nie etwas von ihr gehört zu haben.«
    »Deshalb sind Sie also zur See gegangen«, vermutete ich. »Weil Sie in einer Hafenstadt aufgewachsen sind.«
    »Quatsch«, antwortete Bannermann. »Sind Sie etwa ein Pferd geworden, nur weil Sie im Wilden Westen geboren sind? Ich wollte niemals zur See fahren.« Er stemmte sich auf die Ellbogen hoch und sah mich seltsam an. »Soll ich Ihnen ein Geheimnis verraten, Craven? Ich hasse die See. Ich habe sie vom ersten Moment an gehasst, und daran hat sich in all den Jahren nichts geändert. Sie hat meinen Vater getötet, sie hat einen meiner Brüder verschlungen, und jetzt hat sie mein Schiff und meine Mannschaft geholt. Soll ich sie dafür lieben?«
    »Das war nicht das Meer, Bannermann«, sagte ich leise. »Es war Yog-Sothoth, und …«
    »Das spielt keine Rolle«, unterbrach er mich. Seine Stimme bebte. »Es wäre nicht geschehen, wenn wir nicht draußen auf See gewesen wären.«
    »Oder Andara und ich nicht an Bord Ihres Schiffes gekommen wären«, fügte ich hinzu. »Sprechen Sie es ruhig aus, Bannermann. Ich kann es Ihnen nicht verübeln.«
    Bannermann sog hörbar die Luft ein. Aber er kam nicht dazu zu antworten. Von der anderen Seite der Böschung erscholl ein gellender Schrei, dann waren aufgeregte Stimmen und hastiges Trappeln zahlreicher Füße zu hören.
    Bannermann und ich waren im gleichen Moment auf den Beinen. Mehr auf Händen und Knien als auf unseren Füßen liefen wir die Böschung hoch, richteten uns

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