Hexer-Edition 03: Das Haus am Ende der Zeit
stieß nur den Hinterkopf an der Kante der Koje über mir und schwang fluchend die Beine vom Bett. Sean grinste schadenfroh.
»Ich glaube, ich habe etwas für euch«, sagte er. »Etwas, das euch interessieren dürfte.«
»Im Moment interessiert mich überhaupt nichts«, knurrte ich. »Wie spät ist es überhaupt?«
»Fast acht«, sagte Howard in leicht tadelndem Tonfall. »Sean hat vielleicht etwas entdeckt, das uns weiterhilft.«
Ich blinzelte, unterdrückte mit Mühe ein Gähnen und versuchte aufzustehen, aber das Boot schwankte so heftig unter meinen Füßen, dass ich mich am Bett festhalten musste, um nicht das Gleichgewicht zu verlieren. »So?«, machte ich. »Und was?«
»Ich war gestern Abend noch bei diesem Pferdedoktor«, berichtete Sean. »So, wie Phillips es mir aufgetragen hatte.«
»War er bei dem Mädchen?«, fragte ich schlaftrunken. Wie immer, wenn ich zu wenig Schlaf gefunden hatte, fühlte ich mich zerschlagener und müder, als wäre ich gar nicht im Bett gewesen.
»Er war es«, sagte Howard, plötzlich eindeutig ungeduldig. »Aber das ist nicht das Wichtigste. Der Arzt war nicht allein.«
Ich torkelte zum Tisch, suchte vergeblich nach irgendwelchen Anzeichen eines Frühstückes und griff schließlich in Ermangelung von etwas anderem nach dem Glas mit kalt gewordenem Grog vom letzten Abend. Er schmeckte fürchterlich, aber der Alkohol vertrieb für einen kurzen Moment den Eisklumpen, in den sich meine Eingeweide verwandelt zu haben schienen.
»Einer von den Jungs aus der Stadt war bei ihm«, sagte Sean. »Er war völlig aufgelöst. Erzählte irgendetwas von einem Freund und einem Buch mit komischen Schriftzeichen.«
Seine Worte rissen mich abrupt aus dem Dämmerzustand, in dem ich mich noch befand. »Ein Buch?«, wiederholte ich, mit einem Male hellwach. »Was für ein Buch?«
Ich fing einen Blick von Howard auf. Offenbar bewegten sich seine Gedanken in den gleichen Bahnen wie meine.
Ein Buch …
»Das hat er nicht gesagt«, antwortete Sean. »Er hat sowieso nur haarsträubenden Unsinn geredet. Der Doc hat ihm kein Wort geglaubt und ihm ein Beruhigungsmittel gegeben und weggeschickt. Wahrscheinlich hat er ihn schlichtweg für betrunken gehalten.«
»War er es?«, fragte ich.
Sean verneinte. »Ich bin ihm nachgegangen«, sagte er. »Der arme Kerl war völlig außer sich. Und ich bin sicher, dass er keinen Tropfen angerührt hat.«
»Und?«, fragte Howard, als Sean nicht weitersprach.
Sean zuckte mit den Achseln. »Nichts und«, antwortete er. »Ich dachte mir, seine Geschichte würde Sie interessieren. Nach allem, was in den letzten Tagen hier passiert ist.«
»Wissen Sie, wo er wohnt?«, erkundigte sich Howard. Er hatte Mühe, das Zittern in seiner Stimme zu unterdrücken.
Sean schüttelte abermals den Kopf und deutete gleich darauf mit einer Hand zur Treppe. »Nein«, sagte er. »Aber das macht nichts. Ich habe mit Gordon gesprochen – er ist hier.«
»Hier?« Instinktiv blickte ich nach oben, zur Treppe.
»In der Nähe«, sagte Sean. »Er wartet auf Sie, oben bei den Fischhallen.«
»Warum haben Sie ihn nicht gleich mitgebracht?«, fragte Howard.
Sean machte eine unwillige Handbewegung. »Verdammt, es war schwer genug, ihn dazu zu überreden, überhaupt mit Ihnen zu sprechen«, sagte er. »Begreifen Sie immer noch nicht, was in dieser Stadt vorgeht? Die Leute hier haben Angst und sie machen Sie für das verantwortlich, was passiert.«
»Aber das ist doch Unsinn«, widersprach ich.
»Natürlich ist es das«, sagte Sean verärgert. »Aber die Leute hier sind nun mal so. Die denken nicht unbedingt logisch, Junge.« Er stand auf. »Ich gehe zurück zu Gordon. Beeilen Sie sich. Ich weiß nicht, wie lange er noch wartet.« Mit einem letzten, abschließenden Kopfnicken verabschiedete er sich, fuhr herum und lief die Treppe hinauf. Sekunden später polterten seine Schritte auf dem Deck über uns.
Howard blickte ihm stirnrunzelnd nach. »Was hältst du von ihm, Robert?«, fragte er leise.
Ich zuckte mit den Achseln, ging zum Bett zurück und begann warme Kleider aus der Kiste zu suchen, in der wir unsere Habseligkeiten verstaut hatten. Wenn es hier drinnen schon so kalt war, musste es draußen eisig sein. »Keine Ahnung«, antwortete ich mit einiger Verspätung. »Ich glaube nicht, dass er uns feindselig gesonnen ist, aber er ist ganz bestimmt nicht das, was er zu sein vorgibt.«
»Er hat keine einzige Frage gestellt«, murmelte Howard.
Ich sah auf, streifte mein dünnes
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