Hexer-Edition 03: Das Haus am Ende der Zeit
zerstörtes Gesicht.
»Jenny«, flüsterte er. »Komm zurück zu mir. Du darfst mich nicht verlassen.« Langsam hob er die Hand.
Für einen winzigen Moment wehrte sich noch etwas in Jenny, aber der Widerstand erlosch sofort. Sie lächelte. Langsam trat sie auf Charles zu, ergriff seine Hand und ließ sich zum Haus zurückführen.
Ich blieb nicht länger als unumgänglich notwendig in meinem Zimmer, und als ich es verließ, hatte ich das Gefühl, einer Gruft zu entsteigen. Ich spürte erst auf der Treppe, wie schwer es mir gefallen war, dort oben überhaupt zu atmen.
Howard und Rowlf waren bereits wieder in der Bibliothek, als ich den Raum betrat. Von Boldwinn war keine Spur zu sehen, aber auf dem Tisch stand jetzt neben dem Besteck eine Anzahl silberner Schüsseln und Schalen, in denen gekochte Kartoffeln und gedünstetes Gemüse dampften. Wenn Boldwinn das unter einem kleinen Imbiss verstand, dann wollte ich gar nicht wissen, was er auffahren ließ, wenn er wirklich hungrig war.
Ich setzte mich. Rowlf hatte bereits an der gegenüberliegenden Seite der Tafel Platz genommen und sich ohne viel Federlesens Gemüse und Salzkartoffeln auf seinen Teller gehäuft, während Howard – was auch sonst? – vor einem Bücherregal stand und mit zitternden Fingern über die Bände tastete. Keiner von ihnen verlor auch nur ein Wort über den Zwischenfall von vorhin, aber ich spürte, dass die Spannung, die schon die ganze Zeit über wie ein übler Geruch in der Atmosphäre gehangen hatte, stärker geworden war.
Der Anblick der Speisen weckte meinen Appetit. Ich hatte außer einem kleinen Imbiss im Zug den ganzen Tag über nichts zu mir genommen und mein Magen knurrte hörbar. Rowlf grinste und stopfte sich eine ungeheuerliche Ladung Kartoffeln und zerquetschtes Gemüse in den Mund. Für einen Moment beneidete ich ihn um den Gleichmut, mit dem er sich über alle Konventionen hinwegsetzte und tat, wonach ihm zumute war.
Das Geräusch der Tür ließ mich aufsehen. Boldwinn und Carradine kamen zurück; Boldwinn mit einer verstaubten Weinflasche und einem Korkenzieher in der Hand, Carradine einen niedrigen Servierwagen vor sich her schiebend. Zwischen Boldwinns Brauen entstand eine tiefe Falte, als er sah, dass Rowlf bereits mit der Mahlzeit begonnen hatte, aber er verbiss sich die Bemerkung, die ihm zweifellos auf der Zunge lag. Ein leises Gefühl von Schadenfreude stieg in mir hoch. Wahrscheinlich waren wir die unmöglichsten Gäste, die er jemals gehabt hatte – aber er war auch der mit Abstand sonderbarste Gastgeber, dem ich je begegnet war.
Carradine begann seinen Servierwagen zu entladen und weitere Schüsseln und Bleche auf den Tisch zu häufen. Boldwinn sah ihm eine Weile schweigend dabei zu, scheuchte ihn dann mit einer Handbewegung aus dem Zimmer und setzte sich. Auch Howard riss sich endlich von den Büchern los und nahm Platz.
Wir aßen schweigend. Nach allem, was passiert war, überraschte mich das Essen doch – das Fleisch schmeckte sonderbar, aber äußerst gut, und nachdem die ersten Bissen meinen Hunger richtig geweckt hatten, griff ich herzhaft zu und nahm gleich zweimal nach.
Howard bedankte sich nach dem Essen und wollte aufstehen, um sich zurückzuziehen, aber Boldwinn bedeutete ihm mit einer knappen Geste sitzen zu bleiben, nahm einen flachen Silberkasten vom Servierwagen und klappte ihn auf. Howard blinzelte einen Moment irritiert auf die säuberlich aufgereihten Zigarren, die darin lagen, zögerte unentschlossen und griff dann doch zu. Boldwinn stand auf, kam mit einem glimmenden Span aus dem Kamin zurück und gab ihm Feuer.
»Ich habe noch mit Ihnen zu sprechen«, begann er, nachdem er den Span zurück ins Feuer geworfen und sich wieder gesetzt hatte.
Howard sog an seiner Zigarre, verzog anerkennend die Lippen und sah ihn fragend an.
»Sie haben sich für meine Bücher interessiert«, sagte Boldwinn ausdruckslos. »Warum?«
In seiner Stimme war plötzlich ein seltsamer Unterton. Ich warf Howard einen warnenden Blick zu, aber er reagierte nicht darauf.
»Nun, Mister Boldwinn, ich interessiere mich für alte Bücher. Und …«
»Alte Bücher?«, unterbrach ihn Boldwinn lauernd. »Oder Okkultismus und Hexerei, Mister Lovecraft?«
Es dauerte einen Moment, bis Howard überhaupt merkte, was sein Gegenüber gesagt hatte. »Love … craft?«, stotterte er. »Wie kommen Sie … ich meine, was …«
»Machen Sie sich nicht lächerlich«, sagte Boldwinn grob. »Glauben Sie, ich wüsste nicht, wer
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