Hexer-Edition 03: Das Haus am Ende der Zeit
brach und mit einem Sog, der ihrem Anprall kaum nachstand, ins Meer zurückstürzte. Seine rechte Hand löste sich mit einem Ruck von der Felszacke, an der er sich festgeklammert hatte. Er kippte nach hinten, hing einen kurzen, schrecklichen Moment in einer unmöglichen Haltung über den Rand des steinernen Sims hinaus und schrie, aber der Sturm verschluckte sein Brüllen und antwortete nur mit höhnischem Gelächter.
Bensen fiel. Der weiße Sand des Strandes sprang mit einem gewaltigen Satz auf ihn zu, dann, noch bevor er aufschlug, raste eine neue Welle heran, fing seinen Sturz auf und schmetterte ihn gleich darauf gegen den Fels.
Bensens Mund öffnete sich zu einem Schrei, aber er war unter Wasser; die kostbare Luft entwich seinen Lungen, sein Kopf prallte gegen den Fels und für einen Moment schwanden ihm die Sinne. Die Welle schleuderte ihn herum, hob ihn mit einer spielerisch anmutenden Bewegung hoch und riss ihn mit sich ins Meer hinaus. Bensens Lungen schienen zu platzen. Ein entsetzlicher Druck lastete plötzlich auf seiner Brust, und der Drang den Mund aufzureißen und tief und gierig einzuatmen wurde fast unerträglich. Er wusste, dass er sterben würde, wenn er ihm nachgab.
Mit einer Kraft von der er selbst nicht mehr wusste, wo er sie hernahm, warf er sich herum, stemmte sich mit aller Macht gegen die Gewalt der Woge und entkam ihrem Sog. Sein Kopf brach durch die Wasseroberfläche. Bensen atmete verzweifelt ein, warf sich herum und auf die Seite und breitete die Arme aus, als die nächste Welle heranrollte.
Die Steilwand raste auf ihn zu und Bensen reagierte ohne zu denken. Er tauchte, versuchte den Schwung der Welle auszunutzen, statt vergeblich dagegen anzukämpfen, drehte sich unter Wasser und fing den Anprall mit den Beinen auf. Ein heftiger Schmerz zuckte durch seine Fußgelenke. Die Welle zerschmetterte ihn nicht, wie sie es getan hätte, hätte sie ihn mit aller Gewalt gegen die Wand geworfen, aber er fühlte, dass er einer dritten Woge nicht widerstehen würde.
Irgendwie schaffte er es den Kopf noch einmal über Wasser zu bekommen und sich die Lungen voller Luft zu pumpen. Die Woge begann ins Meer zurückzustürzen, aber hinter ihr rollte bereits die nächste Welle heran, eine glitzernde, tödliche Wand stahlharten Wassers, die ihn gegen die Küste werfen und zerschmettern würde.
Dann sah er die Höhle.
Es war nur ein schmaler, dreieckiger Einschnitt im Fels, schon halb unter Wasser und im schwachen Licht kaum zu erkennen; nicht mehr als ein Schatten. Aber Angst und Verzweiflung gaben Bensen zusätzliche Kraft: Er reagierte rein instinktiv, arbeitete sich an die Wasseroberfläche und warf sich mit ausgebreiteten Armen nach vorne und nach rechts.
Er schaffte es.
Beinahe.
Die Brandung warf ihn gegen den Fels wie ein Stück Treibholz, schrammte seinen Körper über den Stein und presste ihn in die Höhle wie einen Korken in einen Flaschenhals. Bensen spürte, wie sich sein linker Arm irgendwo verfing. Sein Schrei erstickte in dem Schwall eiskalten, brodelnden Wassers, der mit ihm in die Höhle drang und ihn weiterspülte. Er schlitterte weiter; sein Gesicht schrammte über harten Fels, irgendetwas traf seine Brust, dann ebbte die Kraft der Welle endlich ab und Bensen prallte mit einem letzten Schlag gegen den Fels und blieb liegen.
Er dachte nicht mehr, aber irgendwo tief in ihm war noch immer der Wille zu überleben; oder vielleicht auch nur ein Instinkt, eine Kraft, die ihn dazu brachte sich hochzustemmen und weiterzukriechen, tiefer in die Höhle hinein und fort vom Eingang.
Als die nächste Welle herantobte, war er in Sicherheit. Das Wasser schlug noch immer über ihm zusammen und riss ihn von den Füßen, aber seine vernichtende Kraft war gebrochen. Bensen kroch noch ein Stück weiter, zog sich mit Schmerz verzerrtem Gesicht auf einen flachen Steinhaufen hinauf und brach endgültig zusammen.
Er verlor das Bewusstsein nicht, aber er dämmerte für lange Zeit in einer Art Trance dahin, einem schmalen Bereich zwischen Wachsein und Agonie, in dem es nur Schmerzen und Übelkeit und ein fast aberwitziges Gefühl von Wohlbefinden gab, das irgendwie parallel zu den Schmerzen bestand und ihn am Leben erhielt.
Irgendwann hörte der Sturm auf gegen die Küste anzurennen, und irgendwann, noch später, hob Bensen müde den Kopf und blickte aus geschwollenen, halb geschlossenen Augen zum Ausgang der Höhle.
Der Orkan tobte noch immer über dem Meer und der Himmel über dem Ozean war
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