Hexer-Edition 03: Das Haus am Ende der Zeit
Aber darunter hockte ein graues, pulsierendes Etwas auf dem Stuhl, ein Ding wie ein Berg grauen, zitternden Schleimes, das an der Sitzfläche hinabgeflossen war und dünne, glitzernde Ärmchen an den Beinen des Schreibtisches hinaufranken ließ …
»Es ist mir völlig egal, wie du es nennst«, sagte ich erregt. »Es war eine Niederlage, und wenn diese Bücher auch nur halb so gefährlich sind, wie du immer behauptet hast, dann …« Ich sprach nicht weiter. Howard hatte mir jetzt länger als eine Stunde zugehört und seine einzige Reaktion auf meine Worte bestand darin sich immer neue seiner dünnen schwarzen Zigarren anzuzünden und die Luft in der kleinen Kabine mit stinkenden blauen Rauchwolken zu verpesten. Allmählich kam ich mir nicht nur hilflos, sondern zusätzlich auch noch auf den Arm genommen vor: Es gibt kaum etwas Frustrierenderes, als einen Wutausbruch nach dem anderen zu bekommen und zu spüren, wie sie mit schöner Regelmäßigkeit an dem Opfer besagten Zornes abprallen. Hilflos ballte ich die Fäuste, starrte Howard noch einen Herzschlag lang mit aller Verachtung, die ich aufzubringen imstande war, an, und wandte mich dann demonstrativ ab. Am liebsten wäre ich aufgesprungen und wütend davongegangen, aber auf einem fünfzehn Yard langen Boot gibt es nicht sehr viel Platz, um davonzurauschen, und der dramatischste Abgang wirkt schlechtweg lächerlich, wenn man zwei Minuten später zurückkommt und vor Kälte mit den Zähnen klappert. Also blieb ich.
Howard musterte mich sekundenlang durch die blauen Rauchwolken hindurch, die er wie eine Mauer zwischen mir und sich aufgebaut hatte, seufzte dann hörbar und drückte seine Zigarre in den überquellenden Aschenbecher. »Fühlst du dich jetzt besser?«, fragte er ruhig. »Ich meine, du hast gesagt, was du sagen wolltest – fühlst du dich jetzt erleichtert?«
Es gelang ihm nicht ganz, den spöttischen Unterton aus seinen Worten zu verbannen, und diesmal war ich es, der ihm zur Antwort nur einen finsteren Blick schenkte. Natürlich hatte ich gesagt, was ich sagen wollte – ungefähr fünfundvierzigmal. Nur eine Antwort hatte ich nicht bekommen.
»Du tust so, als wäre es die natürlichste Sache der Welt, wenn wir …«
»Natürlich ist es das nicht«, unterbrach mich Howard seufzend und zündete sich schon wieder eine Zigarre an. »Bloß erreichen wir bestimmt nichts, wenn wir jetzt wie die aufgescheuchten Hühner durch die Gegend laufen, Robert. Wir können gar nichts anderes tun als warten.«
»Warten?«, schnappte ich. »Und worauf?«
»Darauf, dass die Gegenseite einen Fehler macht«, antwortete Howard. Plötzlich lächelte er. »Weißt du, dass du deinem Vater sehr ähnelst, wenn du wütend bist? Als er in deinem Alter war, war er genauso aufbrausend.«
»Lenk nicht ab«, knurrte ich. »Verdammt, Howard, ich bin es Leid, auf diesem Kahn herumzuhocken und darauf zu warten, dass sich der Boden auftut und uns verschlingt.«
»Eher das Meer«, antwortete Howard gelassen. »Wenn schon. Aber das wird nicht passieren, keine Sorge. Yog-Sothoth hat bekommen, was er wollte. Ich glaube nicht, dass er noch in der Nähe ist. Wäre er es, wären wir wahrscheinlich schon lange tot«, fügte er, etwas leiser und in einem Tonfall, den ich den ganzen Tag über an ihm vermisst hatte, hinzu.
Ich biss mir im letzten Augenblick auf die Zunge und starrte ihn nur an, statt loszubrüllen, wonach mir zumute war. Das Schlimme war, dass ich im Grunde ganz genau wusste, dass er recht hatte. Alles hatte davon abgehangen, dass es uns gelang, die Kiste mit den magischen Büchern meines Vaters zu bergen. Aber wir hatten sie nicht geborgen, und die Bücher waren – was schlimmer war – in der Hand unserer Feinde.
Unserer Feinde … Der Gedanke weckte eine Menge unangenehmer Erinnerungen in mir, Bilder, die ich in den letzten drei Tagen mit aller Macht zu vergessen versucht hatte.
Mühsam schüttelte ich sie ab und versuchte Howards Gesicht durch den blauen Nebel zu erkennen, der die Kajüte füllte. Trotz der Kälte hatte ich demonstrativ eines der Bullaugen geöffnet, aber Howard produzierte schneller neuen Rauch, als der alte abziehen konnte. Seit ich ihn kennen gelernt hatte, waren nur wenige Augenblicke vergangen, in denen er nicht rauchte. Manchmal hatte ich ihn im Verdacht, seine stinkenden Räucherstäbchen selbst mit in die Badewanne zu nehmen. Seine Lungen mussten so schwarz wie Yog-Sothoths Seele sein.
Das Geräusch harter Schritte auf dem Deck über
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