Hexer-Edition 05: Der Seelenfresser
Vater hinterlassen hat. Ihr wollt …«
Howard wollte etwas sagen, aber diesmal war Langley schneller. Er sah mich mit sonderbarem Ausdruck an.
»Ihre Gefühle ehren Sie, Robert«, sagte er. »Ich wäre enttäuscht gewesen, wenn Sie nicht so reagiert hätten. Es ist Jahrzehnte her, aber ich erinnere mich an den Tag, als wäre es erst gestern gewesen, da saß Ihr Vater auf diesem Stuhl und schrie mich so an, wie Sie es jetzt am liebsten mit Howard getan hätten, wären Sie mit ihm allein gewesen.«
Ich blickte verstört zwischen ihm und Howard hin und her und Langley fuhr mit einem flüchtigen Lächeln fort: »Glauben Sie, Sie wären der erste, der so etwas durchmacht, mein Junge? Ihr Vater hat ganz genauso reagiert, als Howard und ich ihm die Wahrheit erklärten. Oh, er war älter als Sie jetzt und viel stärker, aber sein Zorn war so heiß wie der Ihre.«
»Wenn Sie glauben, ich würde so werden wie er«, unterbrach ich ihn wütend, »dann täuschen Sie sich, Professor. Nicht in tausend Jahren!«
»Das sollst du auch nicht, Junge«, sagte Langley sanft, beinahe ein wenig traurig. »Du bist hier, damit es nicht nötig ist, dass ein zweiter Roderick Andara aus dir wird. Dein Vater hatte keine Wahl, als so zu werden, wie er war. Er wurde gezwungen, von einem Schicksal, das das Wort Gnade nicht kennt, und er zahlte einen fürchterlichen Preis. Howard und ich wollen verhindern, dass es dir irgendwann ebenso ergeht, Robert. Wir sind deine Freunde, glaube mir.«
Seine Worte lösten ein sonderbares Echo in meinem Inneren aus. Ich war zornig, gleichzeitig aber fühlte ich mich so hilflos und verwirrt wie niemals zuvor in meinem Leben. Ich wusste einfach nicht mehr, was ich denken sollte.
»Vielleicht ist es besser, wenn wir dich jetzt für eine Weile allein lassen«, sagte Langley, während er bereits aufstand. »Ich glaube, du hast über eine Menge nachzudenken.«
Ich merkte kaum, wie Howard und er den Raum verließen.
Er wusste nicht, wieviel Zeit vergangen war. Er wusste auch nicht, wie er hierher gekommen war und wo und was dieses hier überhaupt war. Als er die Augen aufschlug, lag er auf einem frisch bezogenen Bett in einem kleinen, staubigen Zimmer, das nur durch schmale Streifen flirrenden Mondlichtes erhellt wurde, die sich durch die Fensterläden mogelten.
Shannon blinzelte, richtete sich vorsichtig auf die Ellbogen auf und sah sich aufmerksam um.
In seinem Kopf purzelten die Erinnerungen wirr durcheinander, und er vermochte nicht zu sagen, was davon Wahrheit war und was Bilder aus den Albträumen, die sein Erwachen zur Qual gemacht hatten.
Er war zusammen mit Jeff in das Boot gestiegen und losgerudert, und dann …
Der Fluss war außer Rand und Band geraten und hatte versucht ihn zu verschlingen. Shannon glaubte sich schwach an eine Gestalt zu erinnern, die am jenseitigen Ufer erschienen war, an das Zuschlagen ungeheurer magischer Mächte.
Er glaubte sich an kochendes Wasser zu erinnern und saugende Strudel, die ihn in die Tiefe zerren und ertränken wollten, dann an Jeff, der im letzten Moment aufgetaucht war und ihn gerettet hatte.
Er war halbwegs ohne Bewusstsein gewesen, als sie das Ufer erreichten. Dann war dieser Fremde wieder aufgetaucht und Jeff hatte irgendetwas getan, mit ihm geredet oder gekämpft, das vermochte er nicht mehr zu sagen.
Der junge Magier stöhnte wie unter einem Fausthieb, als die Schleier vor seinem Gedächtnis endgültig zerrissen und er begriff, was geschehen war.
Er hatte den Mann gefunden, den zu suchen er hier war, Robert Craven, den Mann mit der weißen Strähne im Haar, den Erben der Macht, wie der Meister ihn bezeichnet hatte.
Und er hatte diese Macht zu spüren bekommen!
Shannon begriff, dass sie alle den Sohn des Magiers unterschätzt hatten. Er war nicht der unwissende Narr, der seine Kräfte erst zu entdecken begann, sondern ein mächtiger, voll ausgebildeter Magier, dessen Mächte den seinen grenzenlos überlegen waren.
Wäre Jeff nicht dabei gewesen, dann wäre er jetzt tot.
Shannon verscheuchte den Gedanken, richtete sich vollends auf und schlug die Decke beiseite. Er war nackt, aber seine Kleider lagen ordentlich zusammengefaltet neben seinem Bett auf dem Boden. Als er sich danach bückte, stellte er fest, dass sie bereits wieder getrocknet waren. Er musste sehr lange bewusstlos gewesen sein.
Rasch zog er sich an. Die Tür war verschlossen, aber es kostete Shannon weniger als eine halbe Minute, das Schloss zu öffnen und auf den Gang
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