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Hexer-Edition 05: Der Seelenfresser

Hexer-Edition 05: Der Seelenfresser

Titel: Hexer-Edition 05: Der Seelenfresser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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er mir nicht mehr, nur der Ausdruck von Trauer in seinen Augen wurde stärker. Schließlich senkte er den Blick, trat einen Schritt zurück und sah schweigend zu, wie ich Shannons reglosen Körper aus dem Fluss zog und ein Stück die Böschung hinauf schleppte, in sicherer Entfernung zum Wasser.
    Ich war fest davon überzeugt, wieder allein zu sein, als ich mich aufrichtete, aber die Schattengestalt stand noch da, merklich blasser und kraftloser als zuvor, aber noch immer zu erkennen.
    »Was willst du noch?«, fragte ich. In meinem Inneren tobte ein Vulkan einander widerstrebender Gefühle. Meine Stimme zitterte.
    Andara schüttelte sanft den Kopf, machte eine Bewegung, als wolle er den Arm heben und mich berühren, tat es aber dann nicht, sondern sah mich nur aus dunklen Augen an.
    Du bist sehr stark, Robert, sagte er. Stärker, als ich zu hoffen gewagt habe, nach dieser kurzen Zeit.
    »Wundert dich das?«, fragte ich böse. »Ich bin dein Erbe, vergiss das nicht, Vater.« Ich erschrak selbst, als ich spürte, wie ich das letzte Wort betont hatte. Es klang wie eine Beschimpfung; etwas Obszönes.
    Warum hasst du mich?, fragte er.
    »Hassen?« Ich schüttelte den Kopf, viel zu heftig, sah auf den reglosen Jungen zu meinen Füßen hinab und sagte noch einmal: »Hassen? O nein, Vater, ich hasse dich nicht. Ich verabscheue dich nur. Dich und all die, die sich mit Mächten eingelassen haben, die so etwas tun.« Ich deutete mit einer zornigen Kopfbewegung zum Fluss zurück.
    Andara lächelte voller Trauer. Ich verstehe dich, Robert, sagte er. Besser, als du glaubst. Als ich so alt war wie du jetzt, da fühlte ich genauso.
    »Warum hast du dann nicht danach gehandelt? Warum hast du deine Macht nicht eingesetzt, um das Böse zu bekämpfen?«
    Das habe ich, Robert, antwortete er. Ich tat es und ich tue es noch. Aber manchmal muss man Dinge tun, die falsch sind, um das Böse zu besiegen.
    »Dinge wie ein Mord an einem Wehrlosen?«
    Andara schwieg einen Moment. Dann nickte er. Die Bewegung wirkte resignierend. Vielleicht hast du Recht, sagte er. Vielleicht ist es gut, dass du mich daran gehindert hast, ihn zu töten. Ich habe schon zu viel Schuld auf mein Gewissen geladen.
    »Worte!«, schnappte ich. »Nichts als Worte! Ist das alles, was du mir geben kannst – außer dem Fluch, den ich von dir geerbt habe?«
    Manchmal muss man Schuld auf sich laden, um größeres Unheil zu verhindern, sagte er sanft. Aber ich verlange nicht, dass du verstehst, was ich meine. Ich habe nichts von dir zu verlangen, Robert. Vielleicht habe ich schon zu viel von dir verlangt.
    Ich wollte nicht antworten, aber ich war nicht mehr vollends Herr meines eigenen Willens. Ich hatte zu lange mit meinem Erbe gelebt, hatte die düstere brodelnde Macht, die lauernd wie ein finsterer Höllenhund am Grunde meiner Seele wartete, zu lange gespürt und bekämpft, um zu schweigen. Plötzlich sprudelten die Worte aus mir hervor, ohne dass ich ihren Fluss zu dämmen imstande war. Ich schrie fast.
    »Ist das alles?«, keuchte ich. »Erwartest du wirklich, dass ich mich damit zufrieden gebe? Du verlangst nicht, dass ich dich verstehe, und das ist alles? So einfach ist es nicht, Vater! Vielleicht verlangst du nichts, aber ich verlange etwas von dir!«
    Und was?, fragte er leise. Aber der Ausdruck in seinen Augen sagte mir, dass er die Antwort längst wusste.
    »Ich will, dass du deinen Fluch von mir nimmst!«, schrie ich. »Ich will dieses Erbe nicht! Du hast es mir gegeben, ohne mich zu fragen. Ich will nicht mehr zusehen, wie unschuldige Menschen umgebracht werden, nur weil sie zufällig im falschen Moment am falschen Ort sind, oder weil ihr Tod in irgendwelche Pläne irgendwelcher anonymer Mächte passt. Du hast mir nicht nur deine magische Macht und deine Zauberkräfte vererbt, sondern auch deinen Fluch. Jeder Mensch, der zu lange mit mir zusammen ist, kommt zu Schaden, jeder, der mir Gutes tut, wird mit dem Tod oder Schlimmerem belohnt! Ich will das nicht mehr! Ich habe nicht die Kraft, ein Leben lang Unglück und Leid zu bringen. Nimm es von mir! Mach mich zu einem ganz normalen Menschen, mehr will ich nicht!«
    Ich redete Unsinn und ich wusste es, aber die Worte hatten sich zu lange in mir aufgestaut, als dass ich sie jetzt noch zurückhalten konnte.
    Und auch Andara schwieg und blickte mich eine lange, lange Zeit nur schweigend an. Sein Körper begann zu verblassen, ganz langsam, aber stetig. Aber kurz bevor er vollends verschwand, sagte er noch etwas, das ich

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