Hexer-Edition 05: Der Seelenfresser
haben vollkommen Recht, Doktor«, sagte er. »Das Kind kann nichts dafür und Sie und ich und Jane auch nicht. Aber es gibt jemanden, der dafür kann.«
»Hör auf«, sagte Maine sanft. »Das ist lange vorbei. Zu lange, um noch etwas daran ändern zu können.«
»Und dieser jemand ist hier«, fuhr Temples fort, als hätte er die Worte des Arztes gar nicht gehört.
Maine erstarrte. »Was redest du da?«, fragte er. »Du … du bist verwirrt, Lowry.«
»Ganz und gar nicht, Doc«, antwortete Temples. »Ich weiß, was ich sage. Er ist hier. Er lebt, Doktor. Der Teufel lebt, und er ist nicht einmal sehr weit von Innsmouth weg.«
»Das ist unmöglich«, behauptete Maine. Aber sein Blick flackerte und seiner Stimme fehlte die Entschlossenheit, die zu solchen Worten gehörte. Trotzdem fuhr er fort: »Es ist fast zweihundert Jahre her, Lowry. Das weißt du besser als ich.«
»Und doch lebt er«, beharrte Temples. Plötzlich fuhr er herum, riss seinen Mantel vom Haken und begann ihn mit fliegenden Fingern überzustreifen. Sein Gesicht rötete sich hektisch.
»Fragen Sie die anderen, wenn Sie mir nicht glauben«, fuhr er fort. »Fragen Sie Floyd und Bannister und Malone – sie haben ihn gesehen.«
»Gesehen?«, keuchte Maine.
Temples nickte. »Vorgestern«, sagte er. »Er kam in die Schänke. Sie alle haben ihn gesehen. Ich auch.«
Maine schüttelte verwirrt den Kopf. »Das ist nicht möglich«, murmelte er. »Es … es muss sich um eine Verwechslung handeln. Jemand, der so aussieht wie er. Das kommt vor.«
»Er war es«, beharrte Lowry. »Ich habe es gespürt, genau wie die anderen. Er hat die gleiche Macht wie damals, Doktor. Ich habe das Böse gespürt, wie eine Hand, die mir die Kehle zuschnürte. Er … er hat uns angegriffen. Und er hat gesiegt er allein, gegen zwölf von uns. Er lebt.«
Maine starrte ihn lange an. »Und was willst du jetzt tun?«, fragte er schließlich.
Temples lachte, ganz leise und verbittert. »Das, was schon vor zweihundert Jahren hätte getan werden sollen«, sagte er. »Ich weiß, dass es meinen Sohn nicht normal macht und den Fluch vielleicht nicht einmal von uns nimmt. Aber ich werde ihn bestrafen für das, was er mir und den anderen angetan hat, und unseren Kindern. Ich werde den Hexer töten.«
»Hältst du es wirklich für eine gute Idee, noch einmal hierher zu kommen?«
Meine eigene Stimme klang mir fremd in den Ohren, sie zitterte und ihr Klang verriet mehr von meiner Nervosität, als mir Recht war. Aber Howard antwortete nicht auf meine Worte, sondern zuckte nur mit den Achseln. Dann schnippte er seine kaum angerauchte Zigarre aus dem Fenster und öffnete die Tür der zweispännigen Kutsche.
»Komm mit«, sagte er einfach.
Der Wagen hatte schon an der Ortstafel angehalten und die ersten Häuser lagen noch ein gutes Stück vor uns. Es war noch nicht richtig hell, sodass sie sich nur als buckelige Schatten vor dem grauen Hintergrund der Dämmerung abhoben. Die Lichter, die hier und da hinter den Fenstern zu sehen waren, wirkten auf sonderbare Weise farblos und blass, als würde ihr Schein von einem unsichtbaren Schleier halb aufgesogen.
Ein rascher, eisiger Schauer lief auf dünnen Spinnenbeinen meinen Rücken hinab, als ich hinter Howard aus dem Wagen stieg. Der Morgen schien mir selbst für einen April ungewöhnlich kühl, aber es war nicht allein die äußere Kälte, die mich frösteln ließ.
Der Ort, der sich vor uns auf der Kuppe des Hügels ausbreitete, bot ein Bild des Friedens und der Ruhe, aber ich wusste nur zu gut, dass dieser Eindruck täuschte.
»Ist das das Haus?«
Howard deutete mit einer knappen Geste auf ein heruntergekommenes, halb verfallenes Gebäude zur Linken.
Eine Zeitlang starrte ich das dreigeschossige graue Haus an, blickte verwirrt nach rechts und links und nickte schließlich; wenn auch weniger aus wirklicher Überzeugung, als vielmehr in Ermangelung eines anderen Hauses, auf das ich stattdessen hätte deuten können.
Das Gebäude lag an der Stelle, an der es sein musste, und nach allem, was mir mein logischer Verstand sagte, musste es das richtige sein.
Verwirrend war nur, dass es ganz und gar nicht so aussah, wie ich es in Erinnerung hatte …
»Dann komm«, sagte Howard. Er lächelte, aber seine Stimme klang unsicher. Er war nervös. Dabei hätte wohl eher ich von uns beiden mehr Grund gehabt, nervös und unruhig zu sein.
»Wird schon gut gehen, Jungchen«, brummelte Rowlf vom Kutschbock herunter. Ich sah flüchtig auf und
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