Hexer-Edition 05: Der Seelenfresser
die nächste Etage und blieben am Fuße der Treppe stehen. Die Schritte waren jetzt ganz deutlich zu hören – schnell, schleifend und ungleichmäßig, als liefe dort oben jemand unruhig auf und ab, aber jemand, der einen Fuß nachzog.
Das war die eine Möglichkeit, dachte ich bedrückt.
Die andere war, dass dieser – wer immer dort oben auf uns wartete – keine Füße hatte, die er nachschleifen konnte, sondern mörderische Tentakeln, und dass …
Ich weigerte mich, den Gedanken weiterzudenken, und nahm, dicht gefolgt von Howard, der mir mit entsicherter Waffe den Rücken deckte, die letzten Stufen in Angriff. Ich hatte das ungute Gefühl, dass uns der Revolver nicht allzu viel nutzen würde gegen die Wesen, die dort oben auf uns lauerten. Trotzdem war es ein beruhigender Gedanke, nicht vollkommen schutzlos zu sein.
Wir erreichten die dritte Etage, blieben stehen und sahen uns aufmerksam um. Es war dunkel hier oben; durch die schmutzverkrusteten Fenster an den beiden entgegengesetzten Enden des Ganges drang nur wenig Licht. Die Luft war voller Staub, der in der Kehle brannte und alles hinter einem wirbelnden grauen Schleier verbarg.
Trotzdem sah ich die Spuren sofort.
Es waren zwei Reihen ungleichmäßiger, nebeneinander liegender Eindrücke, die Spuren menschlicher Füße, die die zolldicke Staubschicht auf dem Boden durchbrachen und in ungleichmäßigen Schlangenlinien im hinteren Teil des Ganges verschwanden. Aber wenigstens, dachte ich erleichtert, waren es menschliche Spuren …
Trotz der Kälte, die wie ein unsichtbarer Bruder der Nacht in den morschen Mauern des Hotels zurückgeblieben war, war ich in Schweiß gebadet, als wir das Zimmer im dritten Stock erreichten. Meine Finger schlossen sich um den Griff des Stockdegens, den ich wie ein Schwert unter den Gürtel geschoben hatte. Den Verschluss hatte ich bereits entriegelt, ehe wir aus der Kutsche stiegen. Es hatte nicht viel Sinn, es abstreiten zu wollen – ich war nervös wie selten zuvor.
Howard bedeutete mir zurückzubleiben. Langsam hob er die Rechte, legte die Hand auf die Tür und schob sie unendlich langsam auf.
Irgendetwas bewegte sich hinter der Tür. Es war eigentlich nur ein Gefühl, die Ahnung von Leben und Bewegung, verbunden mit einer intensiven Empfindung von Gefahr.
Howard schien es ebenso deutlich zu spüren wie ich, denn auch er hielt mitten in der Bewegung inne, sah sich alarmiert um – und warf sich ansatzlos durch die Tür.
Eine halbe Sekunde später folgte ich ihm auf die gleiche Weise. Ein Schatten tauchte im Halbdunkel des Zimmers auf; ich sah, wie Howard erschrocken die Arme hochriss und irgendetwas seine Hand traf. Er brüllte, taumelte zurück und versuchte die Pistole hochzubekommen, aber der Schatten schlug ein zweites Mal zu und schmetterte seine Hand beiseite.
Ein Schuss löste sich. Ich sah, wie die orangerote Mündungsflamme wie eine glühende Lanze nach dem schattenhaften Angreifer stach und ihn verfehlte. Der peitschende Knall schien meine Trommelfelle zum Zerplatzen und das gesamte Gebäude zum Erbeben zu bringen.
Aber wenn die Kugel auch ihr Ziel nicht traf, so zeigte der Schuss doch Wirkung. Der unheimliche Angreifer ließ von Howard ab, sprang mit einer behänden Bewegung zurück und packte einen Stuhl, um ihn nach Howard zu schleudern. Gleichzeitig gewahrte ich eine Bewegung aus den Augenwinkeln, warf mich instinktiv zur Seite und riss schützend die Arme über den Kopf.
Die Bewegung rettete mir vermutlich das Leben. Etwas Schweres, Hartes bohrte sich splitternd in die morschen Fußbodenbretter, wo ich gerade noch gestanden hatte, gleichzeitig traf ein Fuß meine Seite, ließ meine Rippen knacken und trieb mir die Luft aus den Lungen. Dieses verdammte Zimmer war nichts als eine einzige große Falle!
Ich hörte Howard aufschreien, als sich sein schattenhafter Gegner erneut auf ihn stürzte.
Taumelnd wich ich ein, zwei Schritte zurück und hob kampfbereit die Hände. Ein Schatten wuchs vor mir in die Höhe, und der Zorn, der mich gerade noch erfüllt hatte, wandelte sich binnen Sekunden in Schrecken, als ich sah, wie gewaltig er war – ein Riese, breitschultrig wie ein Bär und mindestens zwei Meter groß, dabei aber seltsam verschoben und deformiert.
Neben mir kämpfte Howard verzweifelt mit seinem Gegner, aber ich fand keine Zeit, ihm beizustehen, denn der Riese griff mich knurrend und mit drohend erhobenen Armen an. Ich sah ihn noch immer nur als verschwommenes Schemen, aber das, was ich von
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