Hexer-Edition 05: Der Seelenfresser
begann der Balken unter meinen Fingern zu schwelen.
Ein greller Schmerz zuckte wie eine Lanze durch meine Hände. Ich versuchte verzweifelt, mich trotz der Schmerzen festzuklammern und sah, wie Howard neben mir den Halt verlor und mit einem lautlosen Schrei nach hinten kippte.
Dann verlor ich ebenfalls den Halt und stürzte wie ein Stein in die Tiefe.
Die Dämmerung begann sich wie ein graues Leichentuch über der Drachenburg auszubreiten. Die Schatten wurden länger und finsterer und die Gestalten der Männer hoch oben hinter den Zinnen verblassten allmählich zu flachen Scherenschnitten, die mit sonderbar ruckhaften Bewegungen vor dem grauen Himmel hin und her patrouillierten.
Es war ein bizarres Bild. DeVries fühlte sich unwirklich; es fiel ihm immer schwerer, sich darauf zu besinnen, dass er sich immer noch im neunzehnten Jahrhundert aufhielt, nicht im elften oder zwölften. Nichts an seiner Umgebung ließ darauf schließen, dass sich hinter den Bergen, die im Westen mit der Dämmerung zu verschmelzen begannen, eine Welt verbarg, in der es moderne Städte gab, Gaslicht, Dampfmaschinen und Telegraphenleitungen, die ferne Staaten miteinander verbanden.
Aber schließlich trugen seine Brüder und er auch die historischen Gewänder des Ordens und waren mit Schwert und Schild bewaffnet; wie Figuren, die der Vergangenheit entsprungen waren. DeVries wusste natürlich, dass er sich auf jeden einzelnen seiner Begleiter verlassen konnte. Der Ordensmeister hatte die Männer, die mit ihm gingen, persönlich ausgesucht. Jeder von ihnen war ein Meister im Umgang mit Schwert, Morgenstern und Bogen, ein hochtrainierter Einzelkämpfer, in der Lage, allein mit einer kleinen Armee fertig zu werden.
Im Moment wären DeVries ein paar moderne Schusswaffen allerdings weitaus lieber gewesen. Bizarr oder nicht – die Burg der Hexer war Realität und er hatte viele, sehr viele Männer mit Waffen gesehen. Es würde ein harter Kampf werden. Trotzdem würden sie ihn gewinnen, das wusste er. Sie fochten im Namen des Herren, und wo Gott und Satan aufeinander stießen, da stand der Sieger von vornherein fest.
Trotzdem war er nervös, als er die Kammer verließ und zwischen die beiden Männer trat, die ihn zu Necron geleiten würden. Seine Hand spielte unruhig am Griff des gewaltigen zweischneidigen Schwertes, das er am Gürtel trug.
»Seid Ihr bereit, Herr?«, fragte einer der beiden. Seine Stimme klang unterwürfig und devot wie immer, aber DeVries meinte auch einen neuen, misstrauischen Klang darin zu vernehmen. Es waren nicht die gleichen Männer, die ihn bisher begleitet hatten. Vielleicht war es Zufall, aber vielleicht ahnte Necron auch, dass er auf die Herausforderung reagieren würde.
»Ich bin bereit«, antwortete DeVries.
Es waren die letzten Worte, die die beiden Männer in ihrem Leben hörten. Die Tür hinter DeVries’ Rücken wurde mit einem Ruck aufgestoßen und zwei seiner Männer sprangen auf den Gang hinaus. Die Schwerter in ihren Händen blitzten auf. Die beiden Hexenbrüder sanken tot zu Boden, ehe sie sich der Gefahr überhaupt wirklich bewusst wurden.
»Schnell jetzt!«, befahl DeVries. »Ihr wisst, was zu tun ist. Zwei Mann gehen zum Tor und überwältigen die Wache dort. Die anderen kommen mit mir!«
Rasch und lautlos wandten sich zwei der weißgekleideten Brüder nach links und verschwanden im Dämmerlicht des Ganges, während sich die anderen hinter ihm versammelten und ihre Waffen bereithielten. DeVries hatte ein ungutes Gefühl. Aber er gab sich alle Mühe, sich nichts anmerken zu lassen, sondern wies seine Männer mit stummen, präzisen Gesten ein. Dann zog er sein Schwert und huschte geduckt den Gang hinunter.
Der Innenhof der Festung lag leer und scheinbar verlassen vor ihm, aber er wusste, dass dieser Eindruck täuschte – er spürte einfach, dass diese gewaltige, bizarr geformte Festung alles andere als tot war. Im Gegenteil: Er spürte sich von unsichtbaren Augen beobachtet und belauert und er glaubte die Gefahr beinahe zu riechen, die sich über ihm und seinen Männern zusammenballte.
Aber es war zu spät, noch irgendetwas an seinen Plänen ändern zu wollen. Necron hatte ihn herausgefordert. Jetzt würde er den Preis dafür zahlen müssen.
Geduckt lief DeVries über den kopfsteingepflasterten Hof, näherte sich dem Eingang des Haupthauses und wartete, bis das knappe Dutzend Männer, das ihm geblieben war, den Hof ebenfalls überquert hatte.
Lautlos öffnete er die Tür und huschte ins
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