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Hexer-Edition 05: Der Seelenfresser

Hexer-Edition 05: Der Seelenfresser

Titel: Hexer-Edition 05: Der Seelenfresser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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letzte Gedanke, den ich dachte. Dann traf mich eine Faust und löschte mein Bewusstsein aus.
     
    »Sie haben ihn«, sagte Ayres. Das Gesicht der alten Frau war zu einer Maske der Konzentration geworden, wie immer, wenn sie in Trance fiel. Aber etwas war anders als die anderen Male, da Lowry die Hexe in diesem Zustand gesehen hatte. Ihre Stimme bebte vor Erregung. »Sie haben ihn«, sagte Ayres noch einmal. »Ihn und noch einen Mann. Einen Fremden.« Sie zögerte. »Etwas stimmt nicht«, fügte sie mit veränderter Betonung hinzu.
    Lowry sah, wie Bannister und Floyd alarmiert aufblickten. Das Licht der einzigen Kerze, die den großen, abgedunkelten Raum tief unter der Erde erhellte, schien für einen Moment zu flackern, obwohl es keinen Luftzug gab.
    »Was heißt das?«, fragte er. »Gibt es Schwierigkeiten?«
    »Nein«, sagte Ayres hastig. Sie öffnete die Augen, fuhr sich mit den Fingerspitzen über die Lippen ihres faltigen, zahnlosen Mundes und sagte noch einmal und mit größerer Überzeugung: »Nein. Curd und Wolf bringen sie hierher. Es ist alles so gekommen, wie du geplant hast, Lowry.« Sie lächelte und in ihren vom Alter trüb gewordenen Augen glühte Triumph auf. »In zwei Stunden werden sie hier sein. Dieser andere zählt nicht. Ich werde Curd sagen, dass er ihn töten soll.«
    »Nein«, sagte Lowry schnell. »Ich … möchte nicht, dass ein Unschuldiger stirbt. Ich will nur ihn.«
    In Ayres Augen blitzte es spöttisch auf, aber zu Lowrys eigener Verwunderung nickte sie. »Wie du willst. Aber er wird alles verraten. Du wirst Schwierigkeiten bekommen, wenn alles vorbei ist.«
    Lowry machte eine ungeduldige, wegwerfende Handbewegung. »Das zählt nicht«, sagte er. »Ich will ihn, alles andere ist gleich.« Er funkelte die Alte an. »Du wirst deinem Kretin sagen, dass er dem anderen nichts zuleide tut, hast du das verstanden?«
    Ayres nickte. »Wie du befiehlst, Meister«, sagte sie spöttisch. »Es ist dein Leben, das du wegwirfst.«
    Ein kurzes, eisiges Frösteln lief über Lowrys Rücken, als er die Worte der Alten hörte. Aber dann dachte er an ihn, den Mann, den Curd und der Wolfmann brachten – und an seinen neugeborenen Sohn. Und plötzlich spürte er nur noch Hass.
     
    Ein dumpfer Schmerz pochte in meinem Nacken als ich erwachte. Ich lag mit dem Gesicht auf hartem, schmierig feuchtem Stein und als ich die Hände zu bewegen versuchte, spürte ich, dass meine Arme brutal auf den Rücken gedreht und mit groben Stricken zusammengebunden worden waren. Es tat ziemlich weh.
    Ich stöhnte und wälzte mich herum. Ein Fuß traf meine Seite und presste mir die Luft aus den Lungen.
    »Versuch lieber keinen Unsinn«, sagte eine Stimme irgendwo über mir. »Es sei denn, du legst Wert darauf, dass ich dich gleich hier fertigmache.«
    »Was … was soll das?«, keuchte ich, als ich wieder einigermaßen zu Atem gekommen war. »Wer sind Sie und was … was wollen Sie von uns?«
    Der Mann über mir lachte hart. Es war der Riese, auf den wir schon oben im Hotel getroffen waren, und hinter ihm glaubte ich den verzerrten Schatten eines zweiten Mannes zu erkennen. Ein seltsam hechelndes, kaum mehr menschliches Atmen drang an mein Ohr.
    »Spielen Sie nicht den Narren, Andara«, sagte der Riese ärgerlich. Im Gegensatz zu seinem abstoßenden Gesicht klang seine Stimme beinahe sympathisch, obwohl sie vor Zorn und mühsam unterdrückter Wut bebte. »Sie hätten niemals wieder hierher kommen sollen«, fuhr er fort.
    »Ich … ich verstehe nicht«, murmelte ich, sprach aber vorsichtshalber nicht weiter, als er den Fuß hob, als wolle er mich schon wieder treten. Offensichtlich verwechselte er mich – mit meinem Vater.
    »Sie bleiben hier liegen und rühren sich nicht, bis ich zurück bin«, sagte er drohend. »Ich lasse Wulf bei Ihnen. Wenn Sie zu fliehen versuchen, zerreißt er Sie.«
    Ich antwortete nicht. Allmählich begannen sich die grauen Schlieren vor meinem Blick zu lichten und ich erkannte mehr von meiner Umgebung. Ich konnte nicht lange bewusstlos gewesen sein, denn wir befanden uns noch immer in der unterirdischen Kaverne und aus dem Abwasserkanal drang flackernder Lichtschein. Ein schwacher Brandgeruch mischte sich in den Gestank des fauligen Wassers, und irgendwo, sehr weit entfernt, wie es schien, ertönte ein ununterbrochenes Poltern und Bersten. Aber das alles registrierte ich nur am Rande. Der größte Teil meines Bewusstseins konzentrierte sich auf den Riesen, der mit drohend geballten Fäusten und

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