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Hexer-Edition 05: Der Seelenfresser

Hexer-Edition 05: Der Seelenfresser

Titel: Hexer-Edition 05: Der Seelenfresser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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Seite, zog den Vorhang vor dem schmalen Kutschfenster zurück und spähte aus zusammengekniffenen Augen in den Nebel hinaus.
    »Wir sind fast da«, sagte er. »Ich habe den Dienstboten gestern Abend schon Anweisungen gegeben, ein kräftiges Essen bereitzuhalten. Und literweise starken Kaffee.«
    Baldrian und ein warmes Bett wären mir lieber gewesen, aber ich schickte mich mit einem lautlosen Seufzer in mein Schicksal, lehnte den Kopf gegen die weichen Polster und versuchte für die wenigen Minuten, die mir noch blieben, so etwas wie Schlaf zu finden.
    Natürlich fand ich ihn nicht, denn trotz meiner Müdigkeit war ich von Ungeduld und Vorfreude erfüllt. Gray hatte es sich trotz seines Achtung gebietenden Alters nicht verkneifen können, mich den ganzen Vormittag über mit geheimnisvollen Andeutungen neugierig zu machen. Ich wusste weder wohin wir jetzt fuhren, noch was uns dort erwarten mochte. Ein Haus vermutlich, das er und Howard für mich gefunden hatten, damit ich eine ständige Bleibe in der Stadt hatte und nicht wechselweise in Hotels und Pensionen leben musste. Sicher. Aber das war auch schon alles.
    Endlich hielt die Kutsche mit einem letzten Ruck an. Das Pferd stampfte unruhig auf dem nassen Kopfsteinpflaster. Sein Zaumzeug klirrte. Die Geräusche hallten unheimlich von den Häusern beiderseits der Straße wider. Dann wurde die Tür aufgerissen und der zylinderbewehrte Schädel des Kutschers lugte zu uns herein.
    »Wir sind da, Sir«, sagte er, an Gray gewandt. »Ashton Place Nummer 9.«
    »Ashton …« Ich sprach nicht weiter, als ich das spöttische Glitzern in Grays Augen gewahrte. Deshalb also hatte er ein solches Brimborium um mein neues Domizil gemacht! Ich war zwar noch nicht lange wieder in London, aber das musste auch nicht sein, um den Klang dieses Namens kennen zu lernen. Natürlich ist es nicht die teuerste Adresse in London; es gibt noch ein paar, die feudaler sind. Den Buckingham-Palast zum Beispiel …
    Der Nebel schlug uns wie ein eisiger, klammer Hauch entgegen, als ich um die Kutsche herumtrat und stehen blieb, um das Haus zu begutachten.
    Es war nicht sehr viel zu erkennen. Der Nebel lag wie eine vom Himmel gefallene Wolke über dem Haus und dem Anwesen, tauchte alles in faseriges Grau und ließ die Konturen des Gebäudes verschwimmen. Aber das, was ich erkennen konnte, war eindrucksvoll genug. Das Haus war gewaltig. Hinter dem Nebel ragte es auf wie ein grauschwarzer Koloss, dreieinhalb Stockwerke hoch und an die hundert Schritte breit. Im ersten Moment erschrak ich fast; die Masse dieses ungeheuerlichen Hauses schien mich mit Armen aus erstarrtem Nebel erschlagen zu wollen, neigte sich wie ein gewaltiger Berg über mich und …
    Die Vision zerplatzte so schnell, wie sie gekommen war. Plötzlich war der Nebel wieder Nebel und das Haus ein Haus, mehr nicht.
    Was blieb, war ein dumpfes Gefühl von Beklemmung. Der logische Teil meines Denkens sagte mir, dass jedes Haus so aussehen würde, bei schlechtem Licht und noch dazu bei Nebel betrachtet. Aber ich hatte zu viel erlebt, um nur noch auf die Logik zu hören.
    »Nun, Robert – gefällt es dir?« Grays aufreizend fröhliche Stimme brach den Bann vollends und brachte mich in die Wirklichkeit zurück. Plötzlich spürte ich die Kälte wieder und die Nässe, die mich frösteln ließ.
    Ich lächelte und zuckte mit den Achseln. »Es ist eine Nummer zu groß«, sagte ich. »Oder zwei.«
    Gray lachte. »Das mag sein. Aber es wird dir gefallen. Und jetzt geh weiter. Wahrscheinlich werden wir schon ungeduldig erwartet. Und mir ist kalt. Schließlich bin ich ein alter Mann.«
    Er zog in einer absichtlich übertriebenen Geste die Schultern zusammen und ging mit weit ausgreifenden Schritten durch das Gittertor, das in den Vorgarten führte. Nach einem kurzen Zögern folgte ich ihm.
    Der Nebel verwandelte den Garten in eine bizarre Landschaft, in der alles irgendwie unwirklich und verzerrt schien. Kleine, graue Schwaden umspielten meine Füße, sodass ich den Kies, mit dem die Zufahrt bestreut war, nicht einmal sehen konnte, sondern nur sein Knirschen hörte. Ich fror, stärker, als es durch die Kälte allein zu begründen gewesen wäre. Unwillkürlich ging ich langsamer.
    Gray blieb stehen, drehte sich ungeduldig zu mir herum. »Was ist los?«, fragte er.
    Einen Moment lang suchte ich nach den richtigen Worten, um das sonderbare Gefühl, mit dem mich das Haus und der Nebel erfüllten, zu beschreiben, aber schließlich zuckte ich nur mit den

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