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Hexer-Edition 08: Engel des Bösen

Hexer-Edition 08: Engel des Bösen

Titel: Hexer-Edition 08: Engel des Bösen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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seiner Waffe auf das Türschloss. »Treten Sie zurück.«
    Howard, ich und die beiden Polizisten gehorchten hastig, aber Rowlf trat mit einen ärgerlichen Knurren an mir vorbei, ergriff Cohens rechte Hand und verbog sein Gelenk, bis er mit einem Schmerzlaut die Waffe fallen ließ.
    »Biste bescheuert, Mann?«, schnauzte er. »Das is ne Fünfunvierzier. Wenne mit der Wumme hier drin schießt, platzt jedem einen hier drin ’s Trommelfell. Geh zurück. Ich machs schon.« Damit versetzte er Cohen einen Stoß, der ihn quer durch den Wagen und in die Arme seiner beiden Männer taumeln ließ, drehte sich mit einem Knurren herum – und rannte mit aller Gewalt gegen die geschlossene Tür.
    Die Londoner Gefängniswagen schienen nicht halb so stabil zu sein, wie im Allgemeinen angenommen wurde. Oder Rowlf war noch stärker, als ich ohnehin wusste. Ich hatte erwartet, dass er die Tür im ersten Ansturm aufbrechen würde; was ich nicht erwartet hatte, war, dass das Holz wie mürbes Stroh nachgab und er regelrecht durch die Tür hindurchrannte, um – von seinem eigenen Schwung weiter vorwärts getragen – aus dem Wagen zu stolpern und draußen auf die Knie zu fallen. Sekundenbruchteile später stemmte er sich wieder hoch – und prallte mit einem entsetzten Keuchen zurück.
    Ein Mann taumelte an ihm vorüber. Er trug die schwarze Uniform der englischen Stadtpolizei. Seine Jacke und sein Gesicht waren voller Blut und er schrie so gellend und schrill, wie ich es selten zuvor gehört hatte. Dann drehte er sich mit einer taumelnden Bewegung herum, wankte und fiel auf die Knie. Ein schreckliches Röcheln löste seine Schreie ab.
    An seiner Kehle hing ein zappelnder, pelziger brauner Ball.
     
    Der Anblick hatte irgendetwas in ihr getötet. Lady Audley war niemals feige gewesen, und trotz – oder vielleicht gerade wegen – ihres ausgeprägten Hanges zum Okkulten und Spiritistischen hatte sie stets ein gesundes Verhältnis zum Tod und allem, was dazu gehörte, gehabt. Ein Friedhof hatte sie niemals erschreckt, sondern allenfalls mit einer vagen Trauer erfüllt.
    Der Anblick dieses Friedhofes entsetzte sie.
    Lady Audley fühlte sich wie in einem Traum, einem üblen, nicht enden wollenden Albtraum, in dem sie eine Gefangene ihrer eigenen Furcht war und hilflos zusehen musste, wie sie innerlich zu Eis erstarrte.
    Die Grabreihen, zwischen denen hindurch Cindy sie hierher geführt hatte, waren geschändet, die Gräber aufgebrochen, Särge mit roher Gewalt zertrümmert und die Toten aus ihrer ewigen Ruhe gerissen. Da und dort lag ein Teil eines Skeletts auf dem Weg, achtlos liegen gelassen von den Männern und Frauen, die für dieses schreckliche Tun verantwortlich waren, und vereinzelt lagen auch noch Tote in den Särgen.
    Auch sie würden verschwinden, dachte Lady Audley dumpf, aufgesaugt werden von diesem schrecklichen grünen Glühen und Wabern, in dessen Zentrum sich etwas Unbeschreibliches zu formen begann.
    »Warum?«, flüsterte sie. Ihre Stimme war zu einem heiseren Flüstern geworden und es kostete sie all ihre Kraft, den Blick von dem Schrecklichen am Grunde des aufgebrochenen Grabes zu wenden und das dunkelhaarige Mädchen anzusehen, das auf der anderen Seite der Grube stand. »Warum, Cindy? Warum hast du das getan?«
    In den Augen des Mädchens erschien ein Ausdruck, den Audley nicht zu deuten vermochte. Etwas wie ein stummes Flehen um Vergebung, aber auch Entschlossenheit und Härte – und etwas unbeschreiblich Fremdes und Böses, schlimmer als das Ding unter ihr in dem offenen Grab. Sie schauderte.
    »Es musste sein«, sagte Cindy. Sie lächelte und deutete in die Grube hinab. »ER braucht Nahrung, um sich für sein Erwachen zu stärken, Tante Aude.«
    »Er?« Audley blickte zitternd in das Grab hinab. Das grüne Leuchten flackerte und der aufgedunsene schwarze Balg in seinem Zentrum schien zu pulsieren wie ein gewaltiges finsteres Herz. Zwischen den grünen Lichtschleiern wanden sich schwarze Schlangen. »Wer ist das?«
    »Du würdest es nicht verstehen«, antwortete Cindy. »ER ist älter als diese Welt und weiser als das ganze Menschengeschlecht zusammen.«
    Audley schluckte mühsam. »Wer ist ER?«, fragte sie noch einmal. »Der … der Teufel?«
    »Nein.« Cindy lächelte verzeihend. »Der Teufel ist eine Erfindung der Menschen und er ist so schwach und machtlos wie sie, verglichen mit IHM. ER hat Millionen und Millionen Jahre geschlafen und wir sind hier zusammengekommen, um IHN zu erwecken.«
    Lady Audley sah auf.

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