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Hexer-Edition 09: Dagon - Gott aus der Tiefe

Hexer-Edition 09: Dagon - Gott aus der Tiefe

Titel: Hexer-Edition 09: Dagon - Gott aus der Tiefe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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dass er das Gleichgewicht verlor und nach vorne kippte.
    Ich gab ihm keine zweite Chance, sondern packte ihn grob am Haar und riss ihn auf die Füße. Der Bursche stieß ein helles Zischen aus, trat nach meinem Schienbein und wand sich wie eine Raubkatze in meinen Händen. Ich versetzte ihm eine Maulschelle, dass er glauben musste, Big Ben in seinem Schädel schlagen zu hören. Seine einzige Reaktion bestand darin, dass er versuchte, mir die Augen auszukratzen. Wütend packte ich ihn an den Jackenaufschlägen.
    Entweder war er kleiner, als ich gedacht hatte, oder mein Griff war in der Hast nicht sicher genug. Gleich wie, ich erwischte ihn nicht am Kragen, sondern ein Stück tiefer – und was ich unter dem groben Stoff seiner Bluse fühlte, war ganz und gar nicht die haarige Männerbrust, die ich mit dem Bild eines heimtückischen Messerstechers assoziierte!
    Vor Überraschung ließ ich meinen Gefangenen fahren, packte aber sofort wieder zu, zerrte ihn auf die Füße und zwang ihn, den Kopf so zu drehen, dass ich sein Gesicht im Mondlicht erkennen konnte.
    Die nächsten zehn Sekunden brachte ich damit zu, das Gesicht der schmalen Gestalt anzustarren, die in meinen Händen zappelte.
    »Um Gottes willen«, murmelte ich. »Sie … Sie sind ja eine Frau!« Instinktiv lockerte ich meinen Griff wieder.
    Meine Gefangene starrte mich an, schürzte wütend die Lippen – und knallte mir das Knie ein zweites Mal in eine ganz besonders empfindliche Stelle.
     
    Das Klirren, mit dem die Tür hinter ihm ins Schloss fiel, erinnerte Spears an das Geräusch, mit dem ein gewaltiger steinerner Deckel auf den Rand eines Sarkophages krachen mochte. Trotz allem war er freundlich behandelt worden; weniger wie ein Gefangener, als vielmehr wie ein Gast; ein gern gesehener Gast noch dazu.
    So ähnlich, glaubte er sich zu entsinnen, waren auch Nemos Worte gewesen.
    Der Gedanke an das schmale, von einem überdimensionierten Vollbart sonderbar in die Länge gezogene Gesicht Nemos weckte den Zorn wieder in ihm. Während der letzten Stunden – Spears wusste nicht, wie viele es waren, denn sie hatten ihm auch seine Uhr weggenommen – hatte er den Kapitän der NAUTILUS beinahe vergessen; bei all dem Sonderbaren und Erstaunlichen, das ihm begegnet war. Er wusste nicht, wo er war, aber er glaubte zu spüren, dass sich dieses wo tief unter der Wasseroberfläche verbarg. Er fühlte das Meer, die zahllosen Tonnen Salzwasser, die den schwarzen Felsen über seinem Kopf bedeckten und geduldig an den Wänden nagten. Spears hatte den größten Teil seines Lebens auf oder wenigstens an der See verbracht. Irgendwie war er zu einem Teil von ihr geworden. Ja, er fühlte seine Nähe.
    Neugierig sah er sich um. Der Raum, in den sie ihn gebracht hatten, war wenig größer als die Zelle, in der er die ersten vierundzwanzig Stunden seiner Gefangenschaft verbracht hatte, aber behaglicher eingerichtet. Wie alles hier waren die Wände aus schwarzem Lavagestein, vor dem das kostbare Mobiliar sonderbar deplaciert wirkte. Es gab einen Tisch, auf dem ein Glas und eine bereits entkorkte Glycolflasche standen, daneben eine Silberschale mit Weintrauben, dahinter, einladend mit seidenen Kissen drapiert, eine zierliche Chaiselongue. Von der Decke hing ein gewaltiger, elektrisch betriebener Lüster und neben der Tür, genau gegenüber der Couch, hing ein gewaltiger, goldgefasster Spiegel.
    »Was soll ich hier?«, fragte Spears, nachdem er sich rasch, aber sehr gründlich, umgesehen hatte.
    »Sie werden hier warten«, antwortete der Mann, der ihn abgeholt und hierher gebracht hatte. Er war ein Riese, mehr als sieben Fuß groß und mit einem Gesicht, das von zahllosen Schlägereien gezeichnet war, auf dem aber sonderbarerweise trotzdem ein beinahe sanfter Ausdruck lag. Er war nicht bewaffnet, aber seine Fäuste waren wenig kleiner als Kokosnüsse, und Spears hatte den Gedanken, ihn angreifen und überwältigen zu wollen, nach einer halben Sekunde wieder fallen gelassen.
    »Auf wen?«, fragte er.
    Der Riese lächelte. »Kapitän Nemo wird mit Ihnen sprechen«, sagte er. »Setzen Sie sich. Wenn Sie irgendetwas brauchen, rufen Sie. Ich warte draußen vor der Tür.« Damit wandte er sich um, öffnete die zollstarke Eisentür und trat gebückt auf den Korridor hinaus.
    Spears starrte ihm finster nach. Während der ersten Stunden seiner Gefangenschaft hatte er getobt und immer wieder danach verlangt, Nemo zu sehen. Jetzt hatte sich seine Wut gelegt, aber er fühlte etwas anderes, eine

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