Hexer-Edition 09: Dagon - Gott aus der Tiefe
Angriff nahm. Ich fand den Weg, von dem der Matrose gesprochen hatte, beinahe auf Anhieb, aber es war nur auf den unteren dreißig, vierzig Fuß wirklich ein Weg – danach wurde er zu einer abenteuerlichen Kletterpartie, bei der ich mehr als einmal wie eine vierbeinige Spinne senkrecht an der Wand hinaufsteigen musste, mit Händen und Füßen in winzigen Felsspalten Halt suchend und verzweifelt darum bemüht, nicht in die Tiefe zu blicken.
Auf den letzten zehn Yards verließen mich beinahe meine Kräfte. Mir wurde übel und für einen Moment begannen sich der Himmel und das pechschwarz daliegende Meer um mich zu drehen; ich spürte, wie ich den Halt zu verlieren begann, presste mich mit verzweifelter Kraft an den rauen Fels und wartete mit angehaltenem Atem, bis der Anfall vorüber war.
Langsam kletterte ich weiter. Nach einer Ewigkeit tauchte die zerbröckelte Kante der Steilwand vor mir auf. Vorsichtig löste ich meine linke Hand von ihrem Halt, griff nach einem dürren Strauch, dessen Wurzeln tief genug im Fels verkrallt zu sein schienen, um mir Halt zu bieten, und zog mich mit einem entschlossenen Ruck vollends auf den Felsen hinauf.
Ich hatte die Bewegung noch nicht halb zu Ende geführt, als der Busch auseinander gerissen wurde. Ein Schatten wuchs gigantisch und drohend zu mir empor und ein verirrter Lichtstrahl spiegelte sich auf Metall. Instinktiv rollte ich zur Seite und riss die Hände vor das Gesicht. Das Messer schrammte über meine Handflächen, raste meinen Arm hinauf und zügelte nach meinem Hals. Verzweifelt bog ich den Kopf zur Seite, trat nach den Beinen des plötzlich aufgetauchten Angreifers und spürte, wie der Dolch an meiner Wange hinaufglitt und verschwand, als der Fremde von den Füßen gerissen wurde.
Blitzartig wälzte ich mich herum und stemmte mich auf Hände und Knie hoch.
Gerade zurecht, um das Knie zu sehen, das nach meinem Gesicht stieß. Ich kippte ein zweites Mal zur Seite – und hatte plötzlich nichts mehr als hundert Fuß eisige Luft unter mir!
Verzweifelt streckte ich die Arme aus, bekam die Felskante zu fassen und krallte mich mit aller Gewalt fest. Der Ruck schien mir die Arme aus den Gelenken zu reißen. Ich spürte, wie meine Beine wie ein übergroßes Pendel durch die Luft schwangen, versuchte mich auf den Anprall vorzubereiten und keuchte abermals vor Schmerz, als mir der Schlag die Knie bis in den Magen hinauftrieb.
Über mir erscholl ein gellender Schrei. Ich warf den Kopf in den Nacken, sah den Dolch auf meine rechte Hand herunterstoßen und griff blindlings mit der anderen zu. Meine Finger krallten sich in rauen Stoff und rissen mit aller Macht daran.
Zum zweiten Mal ging der unheimliche Angreifer zu Boden. Das Messer verfehlte meine Hand um Haaresbreite. Ich klammerte mich mit aller Macht an sein Fußgelenk und zog mich Stück für Stück wieder auf die Felswand zurück.
Aber ich hatte vergessen, dass der andere zwei Füße hatte. Den einen hielt ich umklammert und benutzte ihn als Kletterseil. Der andere stieß in mein Gesicht, kaum dass ich die Nase über den Felsen streckte. Ich schluckte die Verwünschung, die mir auf der Zunge lag, zusammen mit einem Stück Zahn herunter und stemmte mich weiter in die Höhe.
Der nächste Tritt ließ meine Lippe aufplatzen. Mit einem wütenden Knurren warf ich mich vor, begrub den Angreifer halbwegs unter mir und presste ihn allein mit meinem Körpergewicht zu Boden. Das Messer blitzte auf. Ich duckte mich, schlug dem Burschen so wuchtig vor das Handgelenk, dass das Messer davonflog und klirrend in der Dunkelheit verschwand, rutschte blitzschnell noch einmal ein Stück nach vorne, nagelte seine Oberarme mit den Knien am Boden fest und schlug ihm mit dem Handrücken ins Gesicht.
Ein eher ärgerliches als schmerzhaftes Keuchen antwortete mir und eine halbe Sekunde später wand sich der Kerl mit einer beinahe unmöglich erscheinenden Bewegung unter mir weg, versetzte mir einen Stoß in die Seite und rammte mir gleich darauf das Knie zwischen die Oberschenkel.
Es dauerte fast eine Minute, bis sich die flimmernden Kreise vor meinen Augen soweit beruhigt hatten, dass ich wenigstens wieder einigermaßen sehen konnte.
Gut genug zumindest, um die hoch aufgerichtete Gestalt zu erkennen, die vor mir stand und den Dolch wieder mit beiden Händen umklammert hielt.
Der Anblick ließ mich auch den letzten Rest von Rücksicht vergessen. Blitzartig ließ ich mich zur Seite fallen und trat mit dem rechten Fuß nach seinen Beinen,
Weitere Kostenlose Bücher