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Hexer-Edition 09: Dagon - Gott aus der Tiefe

Hexer-Edition 09: Dagon - Gott aus der Tiefe

Titel: Hexer-Edition 09: Dagon - Gott aus der Tiefe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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konnte, »Sie werden keine Rücksicht darauf nehmen, wenn Bannermann oder ich noch da sein sollten, wenn Sie zuschlagen?«
    »Das kann ich nicht, Robert«, murmelte Nemo. »Es … es steht zu viel auf dem Spiel. Wir dürfen kein Risiko eingehen. Wenn auch nur ein einziges dieser Ungeheuer entkommt …«
    Er sprach nicht weiter, sondern schwieg, aber er tat es auf eine sehr vielsagende Weise. Und es war ein sehr beredtes Schweigen. Ein Schweigen, das die Erinnerung an einen nach Abfällen und Fäulnis riechenden Schacht in mir wachrief, die Erinnerung an brackiges braunes Wasser und große, augenlose Kaulquappenmonster, an schnappende Haifischgebisse und die Todesschreie von Menschen.
    Ich nickte. »Wieviel Zeit habe ich?«
    »Vierundzwanzig Stunden, Robert«, sagte Nemo. »Nicht einmal ganz vierundzwanzig Stunden.«
     
    Der Wind war kälter geworden; böig, schneidend und auf schwer in Worte zu fassende, aber dafür umso deutlicher fühlbare Weise boshaft. Es kam Several viel weniger wie das Heulen des Seewindes vor, sondern mehr wie das Wimmern gefangener Seelen. Die eisigen Böen, die wie unsichtbare Messer in ihr Gesicht schnitten, ihr Haar peitschten und ihr die Tränen in die Augen trieben, kamen ihr wie Hiebe unsichtbarer Krallen vor, das Heulen und Pfeifen, mit dem sich die Luft an den Felsvorsprüngen und Graten der Küste brach, wie das düstere Versprechen auf Tod und endlose Qual, die sie erwartete, wenn sie nicht von ihrem Tun abließ.
    Sie verscheuchte den Gedanken. Sie war noch immer ganz ruhig und alles, was sie in sich fühlte, waren eine sonderbare, körperlose Kälte und Entschlossenheit, aber Gedanken wie diese mochten die Furcht mit sich bringen, die Dämonen der Angst, die sie ihr Leben lang gepeinigt hatten und die keineswegs vollends besiegt waren. Sie durfte es ihnen nicht erlauben, abermals Gewalt über sie zu erlangen. Nicht in diesem Moment. Später, wenn alles getan war, war Zeit genug, Angst zu haben.
    Beinahe lautlos näherte sie sich der Stelle, an der das Boot die Küste erreichen musste. Several kannte jeden Fußbreit Bodens der unwegsamen Steilküste genau; sie wusste, dass es auf Meilen hin nur eine einzige Stelle gab, an der ein Boot das Land erreichen konnte, ohne Gefahr zu laufen, von den wütend gegen den Kreidefelsen anrennenden Wogen zerschmettert zu werden. Der gewaltige schwarze Schatten draußen auf dem Meer war wieder verschwunden, so lautlos und rasch, wie er aufgetaucht war, aber der kleinere Schatten, den er geboren hatte, war noch da, näherte sich, auf und ab hüpfend und im Zickzack dem willkürlichen Kurs folgend, den ihm die Wellen aufzwangen, dem Fuß der gewaltigen Kreidemauer.
    Several ergriff das Messer fester. Für einen ganz kurzen Moment überkamen sie Zweifel – was, wenn das Messer, das für sterbliches Fleisch gedacht war, seine Haut nicht zu durchschneiden vermochte? Was, wenn sie ihn nicht töten konnte, weil er unsterblich war und nur ein Gott einen Gott zu vernichten wusste? Was, wenn er bereits wusste, dass sie hier oben stand, bereit, ihn zu töten, und sich darauf vorbereitete?
    Plötzlich fiel ihr ein, dass James einmal, als er betrunken und vom Punsch redselig geworden war, wie im Scherz erwähnt hatte, dass er sich ohne Worte und über große Entfernung zu verständigen wusste, und mit einem Male sah sie wie in einer blitzartigen Vision das Bild von Männern auftauchen, Männern mit Fackeln und Gewehren und Stricken, die seinen Ruf gehört hatten und kamen, um sie zu fassen, lange, ehe sie ihre Rache vollziehen konnte.
    Several erhob sich ein Stück aus dem Gebüsch, in dem sie Schutz gesucht hatte, und sah zum Land zurück. Der Schatten des Gutes ragte wie eine finstere Trutzburg vor dem Nachthimmel empor, durch das Spiel der Schatten und Wolken und ihre eigene Angst zu einem bizarren, grausigen Etwas verzerrt, eine dreifingrige gemauerte Klaue, die gierig nach dem Himmel zu greifen schien, als wolle sie den Mond herabzerren und zermalmen.
    Aber es war nur ein Schatten. Nichts regte sich dort drüben, nichts mit Ausnahme des Lichtes, das durch die Fenster im Erdgeschoss schien und flackerte, wenn sich jemand davor bewegte.
    Nein – er wusste nicht, dass sie hier war. Niemand wusste es, niemand würde es merken, bis es zu spät war. Sie wandte ihre Aufmerksamkeit wieder dem Meer und dem winzigen langgestreckten Schatten darauf zu.
    Langsam kam das Boot näher, wie ein trockener Ast auf den Wellen auf und ab hüpfend.
     
    »Dort hinauf?« Auf

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