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Hexer-Edition 09: Dagon - Gott aus der Tiefe

Hexer-Edition 09: Dagon - Gott aus der Tiefe

Titel: Hexer-Edition 09: Dagon - Gott aus der Tiefe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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automatisch mit den Händen über die Jacke, obgleich das bei einem Gehrock, den ich seit vier Tagen nicht vom Leibe genommen und in dem ich stundenweise geschlafen hatte, ein recht aussichtsloses Unterfangen war.
    Charles, der die Stelle des alten Henry als Majodomus eingenommen hatte, war bereits an der Tür, als ich in die Halle kam.
    Das helle Licht blendete meine überreizten Augen, sodass ich den morgendlichen Besucher nur als finsteren Umriss sehen konnte, als Charles die Tür öffnete. Aber mehr war auch nicht nötig, denn ich erkannte ihn im gleichen Moment, in dem er die Hand an den Hut hob und Charles begrüßte. Ich würde seine Stimme niemals im Leben vergessen, denn er war dabei gewesen, als dieser ganze schreckliche Albtraum begann.
    Abrupt blieb ich stehen und starrte den stämmigen, in einen zerschlissenen grauen Mantel gekleideten Mann an. »Bannermann!«
    Der ehemalige Kapitän der Lady of the Mist nickte, nahm seinen Hut ab und trat an Charles vorbei ins Haus. Als er näher kam, sah ich, dass er sich verändert hatte; weitaus stärker, als es in den über zwei Jahren seit unserer letzten Begegnung normal gewesen wäre. Er wirkte bleich, was noch an der frühen Stunde oder einer Nacht mit zu wenig Schlaf liegen mochte. Aber er hatte auch abgenommen und in seinem Gesicht waren tiefe, scharf wie Narben gezeichnete Linien erschienen, die ich damals nicht bemerkt hatte. Ein stummer Vorwurf lag in seinem Blick, dazu ein Ausdruck von Schmerz, der sich über unzählige lange Monate hineingegraben haben musste.
    Ich wurde mir der Tatsache bewusst, dass ich ihn anstarrte, löste mich mit einem verlegenen Lächeln von meinem Platz an der Treppe und streckte ihm die Hand entgegen. Bannermanns Haut fühlte sich kalt und klebrig an, als hätte er Fieber.
    »Bannermann!«, sagte ich noch einmal. »Kapitän Bannermann – welche Freude, Sie endlich wiederzusehen. Welcher Wind hat Sie zurück nach London getrieben?«
    Bannermann starrte mich an, und als ich seinem Blick begegnete, schauderte ich. Es war der Blick eines Verzweifelten.
    »Ich brauche Ihre Hilfe, Craven«, antwortete er.
     
    Thruman setzte das Fernrohr ab und schob es zusammen, ohne den Blick vom Meer zu nehmen. Der Sturm, der das kleine Küstenpatrouillenschiff während der letzten zwei Tage und drei Nächte gebeutelt hatte, war mit dem ersten Licht des Tages zu einer zwar noch immer steifen, aber nicht mehr gefährlichen Brise abgeflaut und verglichen mit dem grauen Schäumen und Toben, durch das die Silver Arrow während der vergangenen beinahe sechzig Stunden gestampft war, lag das Meer fast ruhig da.
    Was nicht bedeutete, dass es wirklich ruhig war. Jemandem, der zum ersten Mal in seinem Leben einen Fuß auf die Planken eines Schiffes gesetzt hätte, wäre das Schaukeln und Wiegen der Arrow wie ein wütendes Aufbäumen vorgekommen und der Wind riss noch immer eisiges Salzwasser von der Meeresoberfläche hoch und hüllte das Schiff in eine Wolke aus Kälte und alles durchdringender Feuchtigkeit.
    Kapitänleutnant Thornton Thruman nahm das alles nur am Rande wahr; mit einem winzigen Teil seines Bewusstseins, der beinahe unabhängig von seinem normalen Denken und Handeln funktionierte. Sein Hauptaugenmerk galt dem Meer, genauer gesagt, einer ganz bestimmten Stelle – weniger als eine halbe Seemeile leewärts der Arrow.
    Thruman sah sich unschlüssig um, winkte seinen Ersten Offizier heran und zog das Glas wieder auseinander, als der Mann einen Schritt neben ihm stehen blieb, die Absätze zusammenknallte und zackig salutierte. Thruman zog eine Grimasse.
    »Hören Sie gefälligst mit dem Quatsch auf, Mister Spears«, sagte er. »Wir sind hier nicht auf der Seeakademie und auch nicht im Hafen. Hier – schauen Sie lieber dorthin und sagen Sie mir, was Sie sehen.«
    Spears griff gehorsam nach dem Glas und blickte konzentriert in die Richtung, in die der ausgestreckte Arm des Kapitäns deutete. Thruman beobachtete aufmerksam seinen Gesichtsausdruck. Zuerst waren die Züge des IO schlaff und blass wie immer, dann, ganz plötzlich, erschien ein zuerst überraschter, dann beinahe erschrockener Ausdruck darauf. Thruman unterdrückte im letzten Moment ein zufriedenes Nicken, als Spears das Glas absetzte und nun mit bloßem Auge nach Osten starrte.
    »Was ist das?«, murmelte er.
    Thruman hob die Schultern. »Das weiß ich so wenig wie Sie, Mister Spears«, antwortete er. »Zuerst hielt ich es für ein Tier. Es haben sich schon Wale in diese Gewässer

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