Hexer-Edition 09: Dagon - Gott aus der Tiefe
durchdringen konnte. Vom Anbeginn der Zeit an hatte die Nacht hier unten regiert und sie würde es tun, solange sich dieser Planet drehte und seine Ozeanbecken mit Wasser gefüllt waren. Trotz allem war die NAUTILUS ein Fremdkörper, der nur geduldet war, und trotz ihrer phantastischen technischen Möglichkeiten, trotz der doppelt zollstarken Panzerung ihres Rumpfes und der gewaltigen Maschinen, die wie ein stählernes Herz tief in ihrem Leib schlugen, war sie verwundbar und vergänglich wie alles, was Menschenhand geschaffen hatte.
Auf dem Kontrollpult vor Nemo leuchteten zwei kleine, gelbe Lampen auf. Nemo schrak aus seinen Gedanken hoch, warf einen raschen Blick auf ein sonderbar geformtes Kontrollinstrument neben sich und legte rasch hintereinander drei Schalter um. Innerlich rief er sich zur Ordnung. Seine Gedanken begannen sonderbare Wege zu gehen, wenn er nicht Acht darauf gab; Wege, die ihn erschreckten und die falsch waren. Vielleicht war er von allen lebenden Menschen der, der die Meere und ihre Geheimnisse am besten kannte. Aber er kannte auch ihre Gefahren und es waren nicht nur der unvorstellbare Druck und die tückischen Strömungen hier unten. Das Schlimmste waren die Schwärze und die Einsamkeit.
»Wie lange noch?«
Die Stimme klang seltsam verzerrt, als wäre es ein Kehlkopf aus Stahl, der sie formte, und sie rief unheimliche Echos in dem großen Salon hervor und fügte den namenlosen Gespenstern in der Dunkelheit vor den Bullaugen weitere Schrecken hinzu. Nemo schauderte und wandte rasch den Blick vom Fenster.
»Wir sind da«, antwortete er. »Sieh.« Seine Hand wies hinaus. Die beiden grell weißen Lichtbahnen der Scheinwerfer waren nicht mehr leer. An ihrem Ende, nur noch wenige hundert Yards entfernt, hatte glitzernder schwarzer Fels das Wogen der Wassermassen abgelöst; eine gewaltige, scheinbar endlos weit in die Höhe strebende Wand aus Lava und Sedimentgestein, mit Algen und Tang und großen Büschen sonderbar farbloser Tiefseepflanzen bewachsen.
Nemo betätigte ein paar weitere Schalter. Im ersten Moment war keine Reaktion zu bemerken, aber dann änderte sich etwas im bis dahin gleichmäßigen Pochen der Maschinen; das Schiff schwankte einen Moment und fand dann in sein gleichmäßiges Gleiten zurück. Aber es war langsamer geworden. Sehr viel langsamer.
Im Zentrum des Lichtscheines, dort, wo sich die beiden gewaltigen Strahlen kreuzten, erschien eine Öffnung. Zuerst schien es nur ein Spalt, aber als die NAUTILUS näherkam, erkannte man, dass es sich in Wahrheit um einen gewaltigen, klaffenden Riss im Felsen handelte, den Beginn eines Stollens, der so tief in den Fels hineinführte, dass sich das Licht der Scheinwerfer verlor, ohne auf ein weiteres Hindernis zu stoßen.
Die NAUTILUS verlor rasch an Geschwindigkeit. Als sie den Anfang des Tunnels erreicht hatte, war das gewaltige Schiff kaum mehr schneller als Fußgänger. Trotzdem drosselte Nemo seine Geschwindigkeit noch weiter, bis der gigantische stählerne Hai nahezu reglos auf der Stelle schwebte.
»Du willst es wirklich tun?« Obwohl die Stimme noch immer fremd und verzerrt klang, hörte Nemo deutlich den Unterton von Sorge, der darin mitschwang. Trotzdem hantierte er fast eine Minute weiter an seinen Kontrollen, bis er sicher war, dass sich das Schiff nicht mehr bewegte und reglos vor der Felswand hing, mit seinen gewaltigen Schrauben den Druck der Strömung ausgleichend. Das Pochen der Maschinen klang jetzt fast wütend.
Nemo wandte sich um und sah zu der Gestalt neben sich hoch.
Der Anblick, der sich ihm bot, hätte ihn nicht erschrecken dürfen, aber er tat es. Der Mann trug einen Unterwasserpanzer, einen der wuchtigen, vollkommen luftdicht abgeschlossenen Anzüge, wie sie auch er selbst und seine Männer benutzten, wenn sie die NAUTILUS unter Wasser verlassen mussten. Der einzige Unterschied war der wulstige Kautschukschlauch, der aus dem Rücken des Anzuges hervorwuchs und die gepanzerte Gestalt wie eine bizarre Nabelschnur mit einem Ventil in der Wand verband.
Nein, es war nicht der Anzug, der Nemo erschreckte; auch nicht das bärtige, ausgemergelt wirkende Gesicht mit den brennenden Augen hinter der runden Sichtscheibe des Helmes. Es war das Wissen, warum der Mann diesen Anzug trug, hier, in der Zentrale der NAUTILUS, warum er Luft aus einem speziellen Tank atmete und warum seine verbrauchte Luft durch ein versiegeltes Rohr direkt ins Meer hinausgeblasen wurde. Nemo fröstelte. Es verging fast eine Minute, bis er
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