Hexer-Edition 09: Dagon - Gott aus der Tiefe
meine Eingeweide weigerten, und an ihrem hinteren Ende schimmerte ein grünliches, unheimliches Licht; die gleiche Art unheimlicher Helligkeit, die ich auf dem Grunde des Sees erblickt hatte, wenn auch weniger intensiv, sondern zu verschwommenen Flecken geronnen, zwischen denen Finsternis und die namenlosen Schrecken meiner eigenen Furcht lauerten. Mit klopfendem Herzen schwamm ich weiter, verhielt noch einmal, um mich angstvoll umzusehen, und drang schließlich in den helleren Bereich der Höhle vor.
Es war ein Gang. Seine Wände waren so von Schmieralgen und Wasserpflanzen überwuchert, dass ich erst auf den zweiten Blick begriff, mich nicht mehr in einer natürlich entstandenen Höhlung, sondern in einem von Menschen- oder was-auch-immer-Hand erschaffenen Stollen zu befinden. Zwischen den Pflanzen wucherten kleine, unregelmäßige Flecken einer sonderbar körnigen Substanz, von denen das grüne Licht ausging. Neugierig hielt ich inne und berührte einen der Flecken mit der Messerspitze. Dort, wo der geschliffene Stahl seine Oberfläche ritzte, erlosch das Licht, und ein graues Etwas quoll wie wolkiges Blut aus dem Schnitt.
Ich erinnerte mich, gelesen zu haben, dass es eine gewisse Art von Tiefseepflanzen gibt, die ein natürliches Licht erzeugen und so die ewige Nacht am Grunde des Meeres erhellten. Dies musste eine dieser Pflanzen sein – wenngleich ich nicht verstand, was sie hier, in einem See in Schottland, zu suchen hatte.
Ich schwamm weiter. Es gab Wichtigeres zu klären als dieses Geheimnis.
Je tiefer ich in den Gang eindrang, desto spärlicher wurde der Pflanzenbewuchs, und bald glitt ich durch einen mannshohen, von flackerndem, grünem Licht erhellten Stollen mit roh gemauerten Wänden, übersät mit Schriftzeichen, unverständlichen Hieroglyphen und barbarischen Basreliefs, die seltsam unangenehm anzuschauen waren und Dinge zeigten, die mein Verstand nicht erfassen konnte. Vergeblich versuchte ich, die Zeit abzuschätzen, die ich jetzt unter Wasser war. Ich wusste nur, dass es lange war und ich bald umkehren musste, sollte mein Luftvorrat noch für den Rückweg reichen.
Dann fand ich den Saal.
Der Stollen hörte unvermittelt auf und vor mir erstreckte sich ein gewaltiger, wassergefüllter Saal von fünfeckigem Grundriss, dessen Wände von einem Spinnennetz der grünen Leuchtalgen bedeckt waren. Genau in seiner Mitte und von einer doppelten Reihe barbarischer Dämonenskulpturen bewacht, erhob sich eine Art steinerner Altar, wie der Raum selbst fünfeckig und mit verwirrenden Symbolen und Schriftzeichen bedeckt. Seltsamerweise war er der einzige Fleck in diesem unterseeischen Tempel, der von den Leuchtalgen verschont geblieben war. Er strahlte etwas Düsteres aus. Ich konnte das Gefühl nicht in Worte fassen – aber es war mir unmöglich, ihn länger als wenige Sekunden anzusehen. Irgendetwas in mir weigerte sich, das schwarze Monstrum zur Kenntnis zu nehmen.
Vorsichtig schwamm ich weiter in den Saal hinein, sah mich um und blickte schließlich nach oben. Auch die Decke war von den grünen Algen bedeckt, aber in ihrer Mitte – und sicherlich nicht durch Zufall – war ein fünfeckiger Fleck von doppelter Mannsgröße frei geblieben. Neugierig schwamm ich darauf zu, berührte ihn mit der Messerspitze und fand keinen Widerstand. Die Messerspitze verschwand vor meinen Augen und tauchte wieder auf, als ich die Hand senkte.
Es dauerte einen Moment, bis ich den verwirrenden Effekt begriff. Das Verschwinden meines Messers hatte nichts mit Magie oder Zauberei zu tun, sondern war nichts als eine ganz normale, optische Täuschung. Der fünfeckige Bereich von Finsternis war nichts anderes als ein Schacht, der nicht mit Wasser, sondern mit Luft gefüllt war. Ein Schacht, der in die Höhe führte.
Ich hatte das Gut gefunden.
Vor dem riesigen runden Fenster wogte die Nacht. Die beiden großen Bugscheinwerfer der NAUTILUS waren eingeschaltet und stachen grelle Lichtbahnen aus der Schwärze, wie zwei klaffende Risse in einer Wand aus Finsternis. Manchmal tauchten blitzende Punkte im Schein des grellen elektrischen Lichtes auf; Fische, die angelockt durch das Licht herangekommen waren und flohen, als der Gigant sich näherte. Trotzdem vermochte das Licht die Schwärze nicht vollkommen zu vertreiben; die Helligkeit war vergänglich, nicht mehr als ein schwacher Hauch aus einer fremden Welt, der das immer währende Dunkel hier unten, eine halbe Meile unter der stürmischen Oberfläche des Meeres, nicht
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