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Hexer-Edition 10: Wer den Tod ruft

Hexer-Edition 10: Wer den Tod ruft

Titel: Hexer-Edition 10: Wer den Tod ruft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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auf ein weniger unangenehmes Thema zu lenken und gleichzeitig eine etwas weniger unbequeme Stellung zu finden. Das eine misslang so kläglich wie das andere. Schließlich, nach einer kleinen Ewigkeit, wie es mir schien, hörte ich draußen auf dem Gang die schweren Schritte von Militärstiefeln und kurz darauf wurde der Riegel auf der anderen Seite der Tür zurückgeschoben. Ein schmaler Lichtstreifen fiel in die Zelle.
    Ich versuchte aufzustehen, knallte prompt mit dem Kopf gegen die Decke und hörte ein kurzes, schadenfrohes Lachen, dann ergriffen mich grobe Hände und zerrten mich unsanft auf den Gang hinaus. Ein Stoß in den Rücken ließ mich vorwärts taumeln.
    Meine Begleitung bestand aus drei Männern – dem Offizier, der mich bereits hierher gebracht hatte, und zwei Soldaten in der dunkelblauen Uniform der niederländischen Marine. Schweigend eskortierten sie mich durch das Gebäude, über einen kleinen, an allen Seiten von Mauern umschlossenen Hof und einen weiteren fensterlosen Gang entlang, bis mein Führer schließlich vor einer schmucklosen Tür stehen blieb und anklopfte. Er wartete allerdings keine Antwort ab, sondern öffnete die Tür nach sekundenlangem Zögern und bedeutete mir mit stummem Handzeichen, einzutreten.
    Der Raum, der uns aufnahm, stellte eine wohltuende Abwechslung in dem Schmutz und Verfall dar, den ich bisher vorgefunden hatte. Nicht, dass er in irgendeiner Form ordentlich oder gar sauber gewesen wäre – aber das Chaos hielt sich in Grenzen. Mit einigem gutem Willen konnte man ihn sogar als wohnlich bezeichnen. Er schien eine Mischung aus Offizial, Salon und Bibliothek zu sein und die Einrichtung war so bunt zusammengewürfelt, dass ich erneut an ein Piratennest denken musste.
    Der Offizier deutete mit einer Kopfbewegung auf einen schlanken Mann, der wie er die hier obligatorische dunkelblaue Uniform trug – nur dass seine derartig mit Orden und Litzen übersät war, dass er damit glatt einen Klempnerladen hätte eröffnen können. Er hockte in lässiger Haltung hinter einem Schreibtisch, auf dem außer einem siebenarmigen Kerzenleuchter nur noch eine Flasche mit Rotwein und drei Gläser standen. Gehorsam näherte ich mich dem Tisch und blieb in zwei Schritten Abstand stehen. Ich hörte, wie die beiden Soldaten hinter mir den Raum verließen und die Tür schlossen. Der Offizier blieb zurück, trat auf einen stummen Wink des Mannes hinter dem Schreibtisch neben mich und zog einen rostigen Schlüssel aus der Tasche, mit dem er meine Handschellen löste.
    Aufatmend rieb ich mir die wunden Handgelenke. »Danke«, sagte ich. »Das ist … sehr nett von Ihnen.«
    Der Mann hinter dem Schreibtisch lächelte. »Aber ich bitte Sie, Mister Craven – wir sind schließlich zivilisierte Menschen und keine Wilden. Ich nehme doch nicht an, dass Sie versuchen werden, zu fliehen?« Sein Lächeln wurde um eine Spur freundlicher, als er auf den Offizier neben mir deutete. »Sergeant Roosfeld ist seit sieben Jahren ungeschlagener Boxmeister der Garnison. Aber nehmen Sie doch Platz.«
    Ich gehorchte, nachdem ich einen weiteren unsicheren Blick auf Roosfeld geworfen hatte. Der Mann hinter dem Schreibtisch beugte sich vor, füllte eines der Gläser und hielt es mir hin. »Mein Name ist Tergard, Mister Craven«, sagte er. »Ich bin das, was Sie wahrscheinlich den kommandierenden Offizier nennen würden. Wenigstens im Moment.« Er seufzte. »Ich denke, es ist an der Zeit, dass wir uns unterhalten.«
    Zögernd griff ich nach dem Glas, nippte daran und spürte plötzlich, wie ausgedörrt meine Kehle war. Mit einem einzigen Zug leerte ich das Glas und nickte, als Tergard die Flasche hob und mich fragend ansah. Mit einem Lächeln füllte er mein Glas erneut. Etwas blitzte im Licht der Kerzen auf, als er die Hand bewegte. Ich sah genauer hin – und ließ um ein Haar mein Glas fallen.
    »Was haben Sie, Craven?«, fragte Tergard.
    »Nichts«, versicherte ich hastig. »Ich … ich bin nur ein wenig erschöpft. Verzeihen Sie.«
    Tergard winkte großzügig ab. »Aber ich bitte Sie. Ich weiß, wie unbequem unsere Zellen sind.«
    »Ich habe schon in besseren Hotels verweilt«, bestätigte ich.
    Tergard lachte pflichtschuldig, lehnte sich in seinem Stuhl zurück und sah mich mit einer Mischung aus Neugier und Herablassung an. Es war ein Blick, den ich kannte. Und der mich dazu brachte, meine etwas voreilig gefasste Meinung über ihn noch einmal zu überdenken.
    »Sie wissen, warum ich Sie habe rufen lassen?«,

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