Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Hexer-Edition 11: Der achtarmige Tod

Hexer-Edition 11: Der achtarmige Tod

Titel: Hexer-Edition 11: Der achtarmige Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
Vom Netzwerk:
Sekunden lang starrte Nemo diesen Titanen der Meere an, dann wandte er sich mit einer sonderbar ruckhaften, gezwungenen Bewegung wieder dem Steuerpult zu und griff zum Sprachrohr.
    »Hier Nemo«, sagte er. »Nehmen Sie Fahrt weg. Wir drehen bei.«
     
    Dagon stöhnte leise. Vielleicht war es das erste Mal in seinem nach Millionen zählenden Leben, dass er spürte, was das Wort Furcht in seiner ureigensten Bedeutung besagte; eine Erfahrung, die er zum ersten Mal gemacht hatte und kein zweites Mal überleben würde.
    Das Innere der faustgroßen Kugel, die vor ihm auf der Oberfläche des Altarsteines ruhte, war noch immer von wirbelnden roten Schwaden erfüllt, aber die Schmerzen waren vorbei, der Griff der fremden, unsäglich düsteren Macht war verschwunden. Trotzdem hatte er kaum die Kraft, sich aus der knienden Stellung, in der er die letzte Stunde – die für ihn zu einer Ewigkeit geworden war – verbracht hatte, zu erheben und rückwärts gehend von Altar und Stein zurückzuweichen.
    Die Stimme – diese grässliche, furchtbare Stimme in seinem Inneren war verstimmt, aber er hatte die Worte nicht vergessen, die sie gesprochen hatte, denn sie hatten sich wie mit weiß glühenden Lettern in sein Bewusstsein eingebrannt, zu tief als dass er sie jemals wieder daraus verdrängen konnte.
    Er hatte versagt. Er hatte eine zweite Chance bekommen, trotz des Verrates, den er begangen hatte, und er hatte versagt. Um ein Haar hätte ein gewöhnlicher, sterblicher Mensch alles zunichte gemacht. Schon jetzt war der Zorn jener in der Tiefe gewaltig, denn sie waren keine geduldigen Götter, obgleich sie es gewohnt waren, in Zeiträumen zu denken, die selbst Dagons Vorstellungskraft sprengten. Aber sie hatten zu lange gewartet, und obwohl sie noch ein Abgrund von unvorstellbarer Tiefe vom Hier und der Illusion, die die Menschen als Wirklichkeit kannten, trennte, wachten sie misstrauisch über jede einzelne seiner Handlungen. Sie spürten den grausamen Hunger der Ssaddit, und sie spürten, dass sich die Zeit ihres Wartens verlängerte, solange er nicht gestillt war.
    Dagon taumelte mehr aus der Höhle, als er ging. Sie hatten ihn gewarnt, ihm gesagt, dass dies die unwiderruflich letzte Warnung war, bevor sie ihren Plan aufgaben und sich einen anderen Diener suchten, der geeigneter war. Sie hatten ihm gesagt – und gezeigt! –, was geschehen würde, wenn er auch diese allerletzte Chance verspielte.
    Und trotzdem vermochte er einen erschrockenen Aufschrei nicht zu unterdrücken, als er für einen Moment innehielt und auf seine Hände hinabblickte …
     
    Das Dorf hatte sich verändert, seit ich das letzte Mal hier gewesen war. Es war keine Veränderung des Sichtbaren – die Hand voll kleiner, ärmlicher Hütten, zwischen denen die vier weißgekalkten Gebäude des »Zentrums« wie groteske Fremdkörper emporragten, die schlammige Straße, die sich irgendwo auf halbem Wege zwischen dem Ortsrand und dem Dschungel in Morast und Unkraut verlor, und der kleine, eigentlich nur aus ein paar in den Uferschlamm getriebenen Pfählen bestehende Hafen waren noch genau so, wie ich sie in Erinnerung hatte.
    »Spürst du es auch?«, fragte Shannon.
    Ich nickte ruckhaft. Es war das gleiche wie in der Garnison, weniger präsent und aggressiv zwar, aber doch unverkennbar. Das Böse hatte seine Hand bereits nach dem Ort ausgestreckt.
    Mein Blick suchte das Meer. Der Ozean lag still da, eine gewaltige, vielfach gewellte Ebene, die das Licht der Sonne millionenfach reflektierte und scheinbar bar jeden Lebens war. Aber ich wusste, wie sehr dieser Eindruck täuschte. Ich glaubte den namenlosen Schrecken, der tief unter der unbewegten Meeresoberfläche lauerte, regelrecht riechen zu können.
    »Gehen wir«, sagte ich. Shannon nickte, bog die Zweige des Gebüsches auseinander, hinter dem wir Deckung gesucht hatten, und trat mit einem großen Schritt auf den schlammigen Pfad hinaus, der zur Stadt hinabführte.
    Ich fühlte mich müde. Meine Waden schmerzten, denn wir hatten den Großteil des Weges von der Garnison bis hierher – und das waren immerhin mehr als fünf Meilen – im Laufschritt zurückgelegt; bei Temperaturen noch dazu, die sich irgendwo dicht unterhalb der Vierzig-Grad-Marke bewegen mussten. Im Schatten, versteht sich. Ich merkte erst jetzt, als wir aus dem Dschungel heraus waren, wie sehr uns sein Blätterdach trotz allem vor den sengenden Strahlen der Sonne geschützt hatte.
    Das ungute Gefühl in meinem Magen verstärkte sich, als wir

Weitere Kostenlose Bücher