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Hexer-Edition 13: Ein Gigant erwacht

Hexer-Edition 13: Ein Gigant erwacht

Titel: Hexer-Edition 13: Ein Gigant erwacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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waren klar. Klar und übermäßig groß. Ein Ausdruck stummer Anklage stand darin geschrieben.
    Die Vision erlosch so schnell, wie sie gekommen war und ich fiel mit einem fast schmerzhaften Ruck in die Wirklichkeit zurück. Entsetzt starrte ich Sitting Bull an.
    Aber wenn er überhaupt gemerkt hatte, was geschehen war, so beherrschte er sich meisterhaft. Mit einem Gesicht, das so ausdruckslos wie immer war, sah er auf mich herab, bedeutete mir mit stummen Gesten, noch eine Weile liegen zu bleiben und mich möglichst wenig zu bewegen, und stand auf. Seine Gestalt verschmolz mit der Dunkelheit, als er sich umwandte und mich allein ließ. Aber ich blickte ihm noch lange nach.
    Was war das?, dachte ich entsetzt. Ein Gefühl eisiger, körperloser Kälte kroch in mir empor und drohte mich abermals zu lähmen. Das Schlimmste waren nicht einmal die Bilder gewesen, die ich empfangen hatte. Schlimmer, tausendfach schlimmer war die Angst, die diese Bilder begleitete; eine gestaltlose, grässliche Furcht, die sich allen Barrieren von Logik und Selbstbeherrschung zum Trotz wie eine Springflut in meinen Geist ergossen hatte.
    Sie und das entsetzliche, übermächtige Gefühl von Bedrohung, konkreter, körperlicher Bedrohung.
    Und ich wusste nicht einmal zu sagen, wem diese Drohung galt. Ob Sitting Bull oder mir.
    Nur schien der alte Häuptling sie gar nicht bemerkt zu haben. Ein neuer, schrecklicher Gedanke durchzuckte mich. War Sitting Bull nur ein Werkzeug, ein Medium, über das mir die Botschaft einer weitaus größeren Macht übermittelt wurde?
    Die Schlussfolgerung war so einfach wie erschreckend: Necron!
    Steckte er dahinter? Wusste der Herr der Drachenburg bereits, dass ich auf der Suche nach ihm war?
    Und plötzlich glaubte ich auch das bleiche Antlitz aus der Vision zu erkennen … Priscylla!
     
    Unter normalen Umständen hätte er die ganze Nacht gebraucht, um den Pass zu erreichen; und einen guten Teil des Vormittages dazu. Aber die Umstände waren nicht normal und dort oben am Pass war etwas geschehen, das so schrecklich war, dass er keine Rücksicht mehr auf sich selbst nehmen konnte.
    Lancelot Postlethwaite kletterte verbissen weiter. Seine Hände waren längst aufgeschürft, jeder einzelne Fingernagel gesplittert und abgebrochen und seine Arme schmerzten so, dass er sich fragte, wie er die letzten fünfzig Yards noch bewältigen sollte. Aber er schluckte den Schmerz und die Erschöpfung herunter, zwang seine Muskeln immer wieder aufs Neue, sich zu bewegen, und zog sich Stück für Stück an der lotrecht emporstrebenden Granitwand empor.
    Es war Stunden her, aber das Bild stand noch immer so deutlich vor seinem inneren Auge, als wäre es in diesem Moment geschehen: Es war ein Albtraum gewesen, das erste Mal in seinem Leben, dass er ernsthaft an seinem Verstand gezweifelt hatte – was durchaus verständlich war. Niemand hätte es mit einem Achselzucken hingenommen, irgendwann gegen Mitternacht von einer fünfzig Tonnen schweren Dampflokomotive geweckt zu werden, die keine hundert Schritte neben seinem Zelt vom Himmel fiel.
    Schon gar nicht Lancelot Postlethwaite, seines Zeichens ordentlicher Professor an der Universität Cambridge und – außer, wenn es um sein Fachgebiet ging – der wohl mit Abstand phantasieloseste Mensch, der jemals geboren wurde.
    Es hatte eine ganze Weile gedauert, bis er begriffen hatte, dass er weder übergeschnappt noch in einem auf besonders perfide Art realistischen Albtraum gefangen war, sondern dass die Lokomotive Wirklichkeit und auch keineswegs vom Himmel, sondern von den Gleisen gestürzt war, die eine halbe Meile über ihm dicht an der Felswand entlangführten. Dann hatte er die Schreie und das fürchterliche, nicht enden wollende Krachen und Bersten gehört und als er nach oben geblickt hatte, war der Himmel rot von Flammen gewesen, als wären die Wolken mit Blut gefüllt.
    Und seitdem war er unterwegs.
    Lancelot Postlethwaite war kein besonders praktisch veranlagter Mensch. Und seine Phantasie reichte leider Gottes nicht aus, ihm in diesem Moment zu sagen, dass die Strecke geradewegs die Wand hinauf mit Sicherheit kürzer, aber keineswegs schneller war. Auf den ersten hundert Yards war er sogar recht zügig voran gekommen, denn die zyklopische Felswand, an deren Fuß er sein Zelt aufgeschlagen hatte, führte im unteren Drittel zwar steil, aber keineswegs senkrecht in die Höhe. Später war es dann schwieriger geworden, aber Postlethwaite war, quasi von seinem eigenen Schwung

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