Hexer-Edition 14: Necron - Legende des Bösen
die Stirn.
»Es ist ungefährlich«, sagte Balestrano. »Zumindest so lange du nicht versuchst, vom vorgegebenen Weg abzuweichen. Und es dauert nicht lange. Du wirst sehen.« Diesmal war es keine Bitte mehr. Diesmal befahl er.
Und nach weiteren endlosen Sekunden des Zögerns nickte Reynaud de Maizieres.
»Ich werde gehen«, bestätigte er. Mühsam löste er den Blick von der pumpenden grünen Masse jenseits der Schranktüren. »Wann?«
»Die Krieger, die dich begleiten werden, sind bereit«, sagte Balestrano. »Und die Zeit ist knapp. Es wäre das Beste, du würdest gleich gehen.«
»Nun, umso eher bin ich zurück, nicht?«, antwortete Reynaud de Maizieres. Aber seine Stimme zitterte bei diesen Worten und in seinen Augen stand ein Flackern, das den scherzhaften Ton Lügen strafte.
Balestrano nickte, wandte sich halb um und klatschte in die Hände.
Die Tür, durch die sie gekommen waren, wurde abermals geöffnet und fünf weiß gekleidete Tempelritter traten ein. Auf ihren Gesichtern stand das gleiche lähmende Entsetzen geschrieben, das auch Reynaud de Maizieres beim Anblick des Tores verspürt hatte. Aber keiner von ihnen protestierte auch nur mit einem Laut, als Jean Balestrano auf den offen stehenden Schrank und das wabernde Maul des Tores deutete.
Wenige Augenblicke später beobachtete Reynaud de Maizieres, wie der erste Krieger durch die Tür trat und in einer flimmernden Wolke aus Licht und giftgrünem Glanz verschwand.
Er hatte Angst.
Die Sonne stand nicht mehr ganz so hoch am Himmel, sondern näherte sich bereits dem letzten Drittel ihrer Bahn, aber die Hitze hatte nicht nachgelassen. Das Gehen fiel mir schwer – und nicht nur mir –, obwohl wir unter allen gegebenen Umständen sogar noch Glück gehabt hatten: Der Sturm hatte die Wüstenlandschaft zwar vollkommen verändert, aber in der Richtung, in die sich unsere kleine Kolonne schleppte, überwog der Anteil von Fels und betonhart zusammengebackenem Boden, sodass wir mühelos von der Stelle kamen.
Trotzdem erschien mir jeder Schritt, den ich tat, unendlich mühsam. Denn es war nicht nur ein Schritt aus der Wüste heraus; nicht bloß ein weiterer Schritt, der uns näher an die kleine Postkutschenstation brachte, von der aus unsere fehlgeschlagene Expedition gestartet war, sondern zugleich auch ein Schritt, der mich fort von Priscylla führte, fort von Necrons Rattennest und allem, was ich dort zu finden hoffte.
Jetzt, im Nachhinein und bei klarer Überlegung betrachtet, gibt es wohl keine zufrieden stellende Erklärung für das, was ich an jenem Nachmittag tat. Vielleicht waren es einfach die Entbehrungen und die Mühen der letzten Tage und Wochen, vielleicht die nicht enden wollende Kette von immer wieder neu geschürten und auf grausame Weise enttäuschten Hoffnungen, vielleicht hatte mir auch einfach nur die Sonne ein wenig zu lange aufs Hirn geschienen – aber ich war in diesem Moment nicht mehr bei klarem Verstand.
Die Wüste, die Sonne, die weit auseinander gezogene Kette der anderen, deren Schluss ich bildete, der sanft auf und ab tanzende Staub, den der Sturm wie einen letzten Gruß in der Luft zurückgelassen hatte: Das alles wurde unwichtig, nahm plötzlich die Realität einer Traumlandschaft an.
Ich fühlte mich niedergeschlagen; deprimiert wie niemals zuvor in meinem Leben. Alles schien rings um mich zusammenzustürzen. Unser ganzes Tun, mein ganzer endloser Kampf gegen übermächtige Gegner schien mir plötzlich sinnlos geworden. Wenn ich jetzt aufgab, dann würde ich Priscylla endgültig verlieren.
Vielleicht wäre trotz allem nichts geschehen, hätte ich mich in diesem Moment – warum, wusste ich selbst nicht zu sagen – nicht herumgedreht und in die Richtung zurückgeblickt, aus der wir gekommen waren. Der Berg – eigentlich nur ein Haufen übereinander getürmter Felsen, die wie von einer Riesenhand so lange ineinander gequetscht worden waren, bis ein bergähnliches Etwas entstanden war – lag bereits Meilen hinter uns, denn Buffalo Bill schlug ein gehöriges Tempo an. Aus der großen Entfernung betrachtet, erschien es mir um so lächerlicher, dass all meine Hoffnungen am Fuße dieses Dreckklumpens ein so jähes Ende gefunden haben sollten.
Und dann sah ich …
Schatten.
Etwas, das wie Nebel aussah, aber keiner war, ein flüchtiges Huschen unheimlicher grauer Schemen, als teile sich die Wirklichkeit.
Und dann sah ich die Drachenburg.
Eigentlich war es nur eine Silhouette; ein fast absurd geformter Umriss, der
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