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Hexer-Edition 15: Der Koloss von New York

Hexer-Edition 15: Der Koloss von New York

Titel: Hexer-Edition 15: Der Koloss von New York Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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als mannshoch und mit Flammen, die einen sonderbaren grünlichen Schein verbreiteten. In dem anderen befand sich Priscylla.
    Sie lag noch immer auf der Pritsche, aber sie war jetzt darauf festgebunden worden und das improvisierte Möbel stand auch nicht mehr auf seinen vier Beinen, sondern war mit Hilfe einiger Felsbrocken fast senkrecht aufgestellt worden, sodass es im ersten Augenblick aussah, als stünde Priscylla vor mir, lässig gegen die Liege gelehnt und das Buch mit beiden Armen an sich gepresst. Aber als ich näher kam, sah ich, wie fest die dünnen Lederriemen angezogen waren, die sie hielten. Sie hatte immer noch nicht die Kraft – vielleicht auch nur nicht den Willen – von selbst zu stehen. Nur das Buch hielt sie mit verzweifelter Kraft fest. Ihr Gesicht war ausdruckslos wie immer, aber in ihren weit geöffneten Augen schimmerte der Beginn einer vagen, noch nicht ganz formulierten Angst.
    Instinktiv wollte ich auf sie zugehen, aber Sitting Bull – der vor dem Zelt auf mich gewartet hatte, ohne dass ich ihn indes bisher überhaupt bemerkt hätte – vertrat mir rasch den Weg und schüttelte den Kopf. »Nicht«, sagte er. »Du wirst all deine Kraft brauchen, für das, was wir tun werden.«
    Ich blieb stehen. Der Anblick Pris, die gefesselt und hilflos wie an einem barbarischen Marterpfahl vor mir stand, brach mir fast das Herz, aber ich wusste, dass der alte Sioux Recht hatte. Wenn wir überhaupt eine Chance hatten, etwas für Priscylla zu tun, dann nur, wenn wir es schnell taten.
    Erst jetzt bemerkte ich, dass auch Ixmals Indianer herangekommen waren. Wie durch Zufall schlossen sie den begonnenen Halbkreis, den die Felsen um Priscylla und das Feuer bildeten. Ihre nackten Oberkörper reflektierten das Licht der Flammen, als wären sie mit Öl oder Fett eingerieben, und auf ihren Gesichtern prangte eine barbarische, rot-grün gemusterte Bemalung. Sie waren bewaffnet, wie ich mit einem raschen, unangenehmen Anflug von Furcht registrierte.
    Beinahe Hilfe suchend sah ich mich nach Bill, Annie und Postlethwaithe um und entdeckte sie schließlich auch – auf der anderen Seite des Platzes und ein gutes Stück von Ixmals Kriegern entfernt. Codys Gesicht war ausdruckslos wie eine Maske aus Stein und er sah mich nicht an, während Annies Züge eindeutig Angst zeigten. Nur Postlethwaithe schien völlig in seinem Element zu sein: Er hüpfte unruhig von einem Bein auf das andere und rückte ununterbrochen seine Brille auf der Nase zurecht, wobei er immer wieder ein leises »Faszinierend!« hören ließ.
    »Komm.« Sitting Bull ergriff mich am Arm und führte mich wie ein Kind in den Kreis aus Felsen und Indianern hinein. Ixmals Krieger schlossen sich hinter uns enger zusammen und nach einer Sekunde trat auch Ixmal selbst neben mich und den Häuptling. Als einziger Indianer trug er keine Waffe. Dafür glänzte in seiner zur Faust geschlossenen Rechten etwas Kleines, Weißes, das ich nach einer Sekunde als die Knochenflöte erkannte, mit der er den Drachen gerufen hatte. Das dumpfe Gefühl von Furcht in mir steigerte sich zu jähem Entsetzen. Nur noch mit Mühe konnte ich mich beherrschen, nicht loszuspringen, Priscyllas Fesseln zu zerschneiden und dem ganzen barbarischen Zirkus ein Ende zu bereiten.
    Aber natürlich tat ich es nicht.
    Zwei Schritte vor Priscylla blieben wir stehen. Sitting Bull ergriff meine und Ixmals Hände, tausche einen schweigenden Blick mit Ixmal, woraufhin der junge Indianer seine Flöte an die Lippen hob, die Augen schloss und einen einzigen, hellen Ton blies.
    Ein eisiger Windstoß fuhr durch das Lager, ließ Staub wirbeln und die Flammen für einen Moment höher prasseln. Ich fuhr zusammen und ließ um ein Haar Sitting Bulls Hand los. Mein Herz begann schneller zu pochen. Irgendetwas geschah. Ich begann zu begreifen, dass nichts von dem, was ich hier sah, Zufall war. Sitting Bull und die anderen mussten mit der Beschwörung begonnen haben, als ich noch schlief. Wahrscheinlich hatten sie ganz bewusst bis zum letzten Moment gewartet, ehe sie mich weckten. Die Luft war geladen mit unsichtbarer knisternder magischer Energie.
    Abermals blies Ixmal in seine Flöte. Ein sonderbar dünner, klagender Ton erscholl, schwang sich zu fast schmerzhaften Höhen auf und verklang. Aber etwas blieb zurück. Vielleicht, dachte ich schaudernd, war ein Drache nicht das Einzige, was Ixmal mit seiner Flöte herbeirufen konnte. Und vielleicht war er noch das Harmloseste …
    Dann begann das Trommeln.
    Ich war

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