Hexer-Edition 15: Der Koloss von New York
vier Templer waren aus den Sätteln gesprungen und feuerten jetzt nicht mehr aus ihren Gewehren, aber sie hatten ihre Schwerter gezogen und wüteten damit fürchterlich unter Slaugthers Männern. Es war ein bizarrer Anblick: die Soldaten waren bis an die Zähne bewaffnet und alles andere als Schwächlinge oder feige – und doch schienen sie keine Chance gegen die rasenden Templer zu haben. Wer jemals die Behauptung aufgestellt hat, dass Schusswaffen einem Schwert überlegen seien, der hat nie gesehen, was eine solche Waffe in der Hand eines Mannes anrichten konnte, der wirklich damit umzugehen verstand. Hinzu kam die Überraschung, die wirklich vollkommen gewesen war.
Und die Tatsache, dass es ein Selbstmordkommando war.
Die Templer mussten wissen, dass sie keine Chance hatten, den Angriff zu überleben. Aber es war ihnen sichtlich egal. Ich sah, wie einer von Slaugthers Männern endlich auf die Idee kam, seinen Revolver zu ziehen und auf einen der Angreifer anzulegen, aber der Templer machte nicht einmal den Versuch, auszuweichen, sondern drang mit hoch erhobenem Schwert auf ihn ein.
Der Soldat drückte ab, traf und der Templer stürmte weiter, rannte dem unglückseligen Kavalleristen sterbend das Schwert in den Leib und brach über seinem Opfer zusammen.
Wieder krachte eine ganze Salve dumpfer Gewehrschüsse. Zwei, drei von Slaugthers Leuten brachen getroffen zusammen, und irgendetwas fuhr mit einem hörbaren »Flopp!« dicht neben meiner Schulter durch die Zeltbahn und wühlte den Boden auf.
»Annie!«, schrie ich. »Die Wächter! Es sind Templer!«
Annie Oakley reagierte so, wie ich gehofft hatte. Sie hatte sich zu Boden geworfen wie ich, als das Schießen begann, aber jetzt sprang sie auf, lief – durch die Fußfesseln behindert, aber trotzdem sehr schnell – auf einen gefallenen Soldaten zu und warf sich auf ihn. Noch im Fallen riss sie seine Waffe aus dem Holster, rollte herum und gab kurz hintereinander drei Schüsse ab. Danach war niemand mehr da, der uns von den Felsen herab unter Feuer nehmen konnte.
Und auch der Kampf vor uns war zu Ende. Slaugthers Soldaten, die sich endlich von ihrem Schrecken erholt hatten, hatten die fünf Tempelritter überwältigt.
Aber welchen Preis hatten sie dafür bezahlt!
Ich sah auf Anhieb mindestens sechs Tote; und eine weitaus größere Anzahl mehr oder weniger schwer Verwundeter. Auch Slaugther selbst war nicht ganz ungeschoren davongekommen: ein langer, wenn auch nicht sehr tief gehender Schnitt zierte seine rechte Wange, als er wutschnaubend vor mir auftauchte. Seine Augen flammten vor Zorn wie kleine, lodernde Kohlen. Wie ein leibhaftiger Racheengel stapfte er auf mich zu, stieß Sitting Bull, der sich ihm in den Weg stellen wollte, einfach beiseite und grabschte mit einer seiner nicht gerade kleinen Hände nach mir. Ich versuchte beiseite zu springen, war aber nicht schnell genug, sodass er mich zu fassen bekam und wie eine Strohpuppe schüttelte.
»Sind Sie jetzt zufrieden, Craven?«, brüllte er. »Sehen Sie sich um – das alles ist Ihr Werk!« Damit versetzte er mir einen Stoß, der mich nach vorne und auf die Knie taumeln ließ, riss mich aber sofort wieder hoch und holte mit der freien Hand aus, als wolle er mich schlagen. Aber er führte die Bewegung nicht zu Ende und irgendetwas in seinem Blick schien zu erlöschen; statt der brodelnden Wut, die ich noch einen Sekundenbruchteil zuvor darin gesehen hatte, machten sich Erschrecken und dann ein dumpfer Schmerz in seinen Augen breit.
»Verzeihen Sie«, murmelte er. »Ich habe einfach die Beherrschung verloren.«
»Das macht nichts«, log ich. Meine Knie schmerzten, so wuchtig hatte er mich zu Boden gestoßen. Trotzdem fiel es mir schwer, Slaugther wirklich böse zu sein. Ich glaube nicht, dass ich den Schock, den die Ereignisse für ihn bedeuteten, wirklich in vollem Umfang verstehen konnte. Beinahe tat er mir sogar Leid.
Slaugther trat unruhig von einem Bein auf das andere, zog seinen Colt aus dem Holster und steckte ihn wieder zurück. Seine Finger spielten nervös am Griff der Waffe. Sein Blick huschte über das Lager, das sich unversehens in ein Schlachtfeld verwandelt hatte, dann über die Felsen, auf denen die Wächter gestanden hatten, und blieb schließlich an der Waffe in Annies Händen haften.
Annie Oakley hielt ihm den Revolver hin, wobei sie die Waffe am Lauf ergriff. Slaugther machte Anstalten, sie zu nehmen, aber dann schüttelte er den Kopf. »Behalten Sie das Ding«, murmelte er.
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