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Hexer-Edition 15: Der Koloss von New York

Hexer-Edition 15: Der Koloss von New York

Titel: Hexer-Edition 15: Der Koloss von New York Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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auf einem Gewirr massiger schwarzer Pfähle ruhte, zwischen denen sich Wasser in kleinen schimmernden Pfützen gesammelt hatte. Das feuchte Holz knirschte unter unseren Füßen, als wir ihn betraten und bis zu seinem Ende gingen, um auf Mel und das Boot zu warten.
    Schaudernd sah ich mich um. Obgleich es nicht einmal hundert Fuß bis zu seinem anderen Ende waren, war der Strand schon kaum mehr zu erkennen. Der Nebel, der – bedachte man die Jahreszeit – eigentlich gar nicht hätte da sein dürfen, hatte den Strand und die Stadt verschlungen. Es sah aus, als stünden wir auf einer kleinen, von allen Seiten eingeschlossenen Insel inmitten eines gewaltigen Universums aus brodelndem Grau. Abermals fiel mir die Kälte auf.
    »Hier war es also«, murmelte ich. »Sonderbar. Es … es sieht ganz normal aus.«
    Howard runzelte die Stirn, sah mich sehr sonderbar an und seufzte. »Was erwartest du?«, fragte er lächelnd. »Ein Schild mit der Aufschrift: Liberty was here?«
    Ich vermochte seinem Humor nicht ganz zu folgen, aber ich verspürte auch keine sonderliche Lust näher darauf einzugehen, und so drehte ich mich herum, rammte die Hände in die Rocktaschen und ging zum äußersten Ende des Steges. Der Nebel war hier so nahe, dass ich das Gefühl hatte, nur die Hand ausstrecken zu müssen, um ihn berühren zu können. Und meine überreizten Nerven füllten ihn mit gestaltlosen finsteren Schrecken.
    Ich hörte, wie Howard neben mich trat, sah aber nicht auf. Wir wären ohnehin nur wieder aneinander geraten, und in der Verfassung, in der ich mich befand, hätte ich vielleicht Dinge gesagt, die mir im Nachhinein Leid täten.
    »Wir sollten darüber reden«, sagte Howard plötzlich.
    »Worüber?«
    »Das weißt du ganz genau. Über Priscylla. Und dieses Buch.«
    »Jetzt?«
    »Jetzt«, bestätigte Howard. »Später kann es zu spät sein.« Er deutete in die Richtung, in der sich hinter den grauen Schwaden die Freiheitsstatue verbergen musste. »Ich weiß nicht, ob wir sie dort drüben treffen. Aber wenn – was wirst du tun?«
    »Tun? Sie …« Ich sprach nicht weiter, denn plötzlich wurde mir mit schmerzhafter Wucht klar, dass ich nicht eine einzige Sekunde über diese Frage nachgedacht hatte. Ja – was zum Teufel würde ich tun? Was konnte ich tun? »Ich weiß es nicht«, gestand ich.
    Howard nickte, als hätte er nichts anderes erwartet. »Du wirst versuchen, sie zu befreien, nicht wahr?«, fragte er. »Du wirst versuchen, ihren Geist von dem Bann dieses verfluchten Buches zu lösen.«
    »Und wenn?«, fragte ich – obwohl ich ganz genau wusste, worauf er hinauswollte. Aber ich wollte es hören, aus seinem Munde.
    »Und wenn es dir nicht gelingt?«, fragte er anstelle einer Antwort.
    »Es wird mir gelingen«, behauptete ich. »Irgendwie.«
    »Und wenn nicht?«, beharrte Howard. »Es gibt zwei Möglichkeiten, Robert – die eine – und sehr wahrscheinliche – ist, dass wir allesamt bei dem Versuch sterben. Ich habe keine große Lust dazu.«
    »Ich kann dieses Buch bannen!«, behauptete ich. »Ich habe es schon einmal getan!«
    »Und wenn?«, fuhr Howard auf. »Was zum Teufel willst du dann tun? Sie mit nach England nehmen, sie und dieses Buch? Mit nach London? Damit alles von vorne beginnt? Willst du wirklich einen vielleicht millionenfachen Tod mit dir nehmen?«
    »Ich verstehe«, murmelte ich. »Deine zweite Möglichkeit, wie? Du willst sie umbringen.«
    »Wenn es sein muss, ja«, sagte Howard hart. »Ich sage es dir vorher, Junge, weil du Rodericks Sohn bist und weil ich glaube, dass ich es dir schuldig bin: Ich werde nicht zulassen, dass dieses Buch nach England gebracht wird. Oder irgendwo anders hin. Ich werde es vernichten. Wenn es dort drüben ist, werde ich es zerstören. Ich werde dir helfen und ich gebe dir mein Wort, alles in meiner Macht Stehende zu tun, Priscylla zu retten. Aber ich werde nicht zulassen, dass das NECRONOMICON noch mehr Unheil anrichtet. In einem Punkt«, fügte er hinzu, »hattest du Recht mit dem, was du zu Melville gesagt hast: Es ist zuviel Unheil angerichtet worden.«
    Ich starrte ihn an, unfähig, irgendetwas zu sagen. Ich hätte zornig sein müssen, verzweifelt, wütend – ich weiß nicht, was. Aber ich spürte nichts als einen tiefen, entsetzlich schmerzenden Schrecken.
    Weil ich wusste, dass er Recht hatte.
    Diese Erkenntnis änderte nichts an meinen Gefühlen Priscylla gegenüber, aber sie war nun einmal da und ich konnte sie nicht mehr wegleugnen. Möglicherweise war es wirklich

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