Hexer-Edition 16: Stirb, Hexer!
später tun sollt, werdet ihr früh genug erfahren.«
Ohne Allisdale auch nur eines weiteren Blickes zu würdigen, ging Sarim weiter, bis er den Zaun erreichte, der das zum Haus gehörende Grundstück umschloss. Jetzt erst streifte Sarim seinen weiten Umhang ab und verstaute ihn in einer Tasche. Dann überzeugte er sich, dass seine Handschuhe fest saßen, warf einen letzten prüfenden Blick in die Runde und stieg schnell den Zaun hoch. Er war froh, nicht länger mit Allisdale sprechen zu müssen. Der junge Templer war ein treuer Untergebener, der mit Freuden sein Leben für ihn geopfert hätte – irgendwann würde Sarim ihm Gelegenheit geben, diese Behauptung unter Beweis zu stellen –, aber seine Gegenwart machte ihn einfach nervös. Und nicht nur seine. Sarim de Laurec mied die Nähe von Menschen, wo er nur konnte. Sie waren so unzuverlässig, so verwundbar und fehlerhaft. Wenn es etwas gab, was er überhaupt liebte, dann war es Perfektion. Manchmal bedauerte er ehrlich, dass er selbst niemals so perfekt werden würde wie seine Geschöpfe, denn auch er war nur ein Wesen aus Fleisch und Blut.
Mit einer für einen Mann seines Alters erstaunlichen Behändigkeit überstieg er den Zaun, schwang vorsichtig erst das rechte, dann das linke Bein über die rostigen Eisenspitzen und ließ sich auf der anderen Seite herunterfallen. Er federte den Aufprall geschickt ab und nahm sofort eine kauernde Stellung ein, die ihn mit den Schatten der Büsche verschmelzen ließ. Auf dem Grundstück blieb alles ruhig. Auf dem Gehsteig konnte Sarim nur die schemenhafte Silhouette Allisdales sehen, der mit weit aufgerissenen Augen durch den Zaun starrte. Der junge Templer benahm sich für Sarims Geschmack etwas zu auffällig. Doch so wie Allisdale waren diese jungen Templer fast alle. Voll guten Willens und bemüht, die Aufträge, die man ihnen erteilte, nach bestem Wissen zu erfüllen. Doch sie neigten dabei sehr leicht zum Übereifer und waren so für die Feinde des Ordens leicht auszumachen. Es fiel de Laurec schwer, zu glauben, dass sie der gleichen Schule entstammen sollten wie er oder Bruder Balestrano – oder Howard.
Wieder spürte er eine Woge heißen Zornes in sich aufsteigen und wieder unterdrückte er ihn.
Lautlos wandte er sich um und huschte weiter.
Sehr spät in der Nacht kamen wir zurück. Howard und Rowlf mussten mich mehr aus der Kutsche tragen, als dass ich aus eigener Kraft ging. Es war eine der sehr seltenen Gelegenheiten gewesen, dass ich zu viel getrunken hatte – und zwar mit voller Absicht. Howard hatte mich quer durch die Londoner Pubs geschleift.
Keiner von uns hatte noch ein Wort über die Geschehnisse vom Tage verloren. Es war auch nicht nötig. Aber ich glaube, Howard und sein hünenhafter Freund fühlten sich ebenso unwohl in ihrer Haut wie ich, als wir – ich in der Mitte und bedenklich schwankend – auf das Portal von Andara-House zuschritten und ich in den Taschen meiner Jacke nach dem Schlüssel suchte.
Howard sah mir eine Weile stirnrunzelnd dabei zu, wie ich versuchte, mit drei Händen drei Schlüssel in drei Schlüssellöcher zu bekommen, dann schüttelte er den Kopf, nahm mir das eiserne Trio aus der Hand – wie durch ein Wunder vereinigte es sich zu einem einzigen Schlüssel, kaum dass er es berührt hatte –, schob es ins Schlüsselloch und wäre um ein Haar auf die Nase gefallen, weil die Tür in diesem Moment schwungvoll aufgerissen wurde und Harveys zerknautschtes Butlergesicht zu uns hinauslugte.
»Ich habe Sie kommen hören, Sir«, erklärte er steif. »Bitte, treten Sie ein.«
Ich kicherte, schwankte an Howard vorbei und ließ mich schwer gegen die Wand sinken. Für einen Moment drehte sich alles in meinem Kopf. Ich war betrunken, ziemlich stark sogar, und trotzdem arbeitete ein Teil meines Verstandes mit fast unangenehmer Klarheit – nämlich genau der Teil, den ich mit dem Alkohol zu betäuben versucht hatte.
Harvey wartete mit steinernem Gesicht, bis Howard und Rowlf ebenfalls das Haus betreten hatten, dann schloss er die Tür, drehte sich aufreizend langsam zu uns herum und fragte: »Wünschen die Herren hier zu übernachten?«
»Daschwünscheschie«, lallte ich mit schwerer Zunge.
»Ja«, pflichtete Howard bei. »Aber zuallererst wünschen wir einen starken Kaffee für Mister Craven. Einen, in dem der Löffel stehen bleibt. Der Junge braucht eine Ausnüchterung.«
»Sehr wohl, Sir«, antwortete Harvey, deutete ein Nicken an und ging so steif, als hätte er einen
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