Hexer-Edition 16: Stirb, Hexer!
verstanden hätte. Was zum Teufel ging hier vor?!
»Kopf hoch, Robert«, fuhr Gray fort. »Irgendwie werden wir uns da schon herausarbeiten. Ich ziehe mich jetzt nur schnell um und dann zerrupfe ich diese sogenannte Anklageschrift in kleine Fetzchen. Vor Rutheis Augen!« Er lächelte aufmunternd, wandte sich um und folgte dem Gerichtsdiener, der ihm die Tür zu Darenders Zimmer aufhielt, wo er sich umziehen sollte.
Während wir auf Gray warteten, begann ich mich immer unbehaglicher zu fühlen. Irgendetwas stimmte hier nicht. Alles um mich herum war einfach falsch, ohne dass ich zu sagen wusste, warum. Es begann mit Darender selbst – er war im Gegensatz zu den meisten Schöffen und dem Staatsanwalt in keiner Weise von dem Geschehen beeindruckt, sondern wirkte kalt und irgendwie fremd. Auch als Gray zurückkam, konnte ich mich des Eindrucks nicht erwehren, eine leblose Puppe vor mir zu sehen. Das Gesicht des Lordoberrichters wirkte wie aus glattem, grauem Stein gehauen und seine Augen überblickten uninteressiert und gläsern die Szene.
Gray setzte sich, ohne mich anzuschauen, auf den für ihn reservierten Platz und ließ sich von einem Gerichtsdiener die Akten reichen.
Der Richter stimmte unterdessen den üblichen Sermon an, der im Namen der Königin Gerechtigkeit versprach. Ich übersah ganz, dass sich die Anwesenden erhoben hatten, und wurde von Jenkins und Tailworthern rüde hochgezerrt. Langsam begann ich die beiden zu hassen – und alle anderen dazu. Das hier war keine Gerichtsverhandlung – es war ein Witz. Aber kein sehr guter.
»Du solltest deine Lage durch provokante Missachtung des Gerichtes nicht noch schlimmer machen«, raunte mir Gray zu. Seine Stimme hörte sich jetzt ebenfalls so seltsam metallisch an, dass sich meine Haare aufstellten. Was war hier los?, dachte ich entsetzt. Warum tat Gray, als wäre diese Farce das Normalste der Welt? »Doktor«, stammelte ich, »was -«
»Angeklagter, Ruhe!«, herrschte mich der Richter an. Abermals schlug er mit seinem Hammer kräftig auf den Tisch. Die Schläge hallten dumpf in meinem Schädel wider. Für einen Moment verlor ich vollends die Beziehung zur Wirklichkeit und für einen noch kürzeren, hysterischen Augenblick war ich hundertprozentig davon überzeugt, gleich die Augen aufzuschlagen und festzustellen, dass dies alles nichts als ein weiterer Albtraum war.
Aber wenn es so war, wachte ich nicht auf.
Als ich wieder soweit war, dass ich die auf der Richterbank gesprochenen Worte verstehen konnte, war der Staatsanwalt bereits dabei, seine Anklage zu verlesen.
Aber eigentlich war es keine Anklageschrift, sondern ein Pamphlet, das lächerlich gewirkt hätte, wäre der Name Robert Craven darin nicht so oft vorgekommen. Ruthel stellte mich als einen derartigen Unhold hin, dass selbst eine Kreatur wie Necron lauteres Gold dagegen gewesen wäre.
Ich hatte selten einen größeren Unsinn gehört.
Das Dumme war nur, dass ich der Einzige zu sein schien, der ihn nicht glaubte.
Außer Cohen, heißt das. Von allen hier – Gray eingeschlossen – war er der Einzige, auf dessen Gesicht sich die gleiche Mischung aus Unglauben und Verwirrung spiegelte, wie auch ich sie spürte. Immer öfter blickte er den Richter und Ruthel an und jedes Mal wurde sein Stirnrunzeln ein wenig tiefer. Aber er schwieg beharrlich.
Ebenso wie mein Anwalt. Ich hätte es Gray nach allem, was geschehen war, nicht verübelt, wenn er erst gar nicht erschienen wäre; aber die Kälte, die er nun an den Tag legte, verstand ich nicht mehr. Er verfolgte die Tiraden des Staatsanwaltes, ohne sich auch nur ein einziges Mal die Mühe zu machen, dem Wortschwall ein Ende zu bereiten, sondern lehnte sich nur gemächlich in seinen Sitz zurück und brachte einige Notizen zu Papier. Seine Miene wirkte dabei etwa so engagiert wie die eines Katzenzüchters, den es auf die Jahresversammlung des britischen Doggenzuchtvereines verschlagen hat.
Der Richter sah im Übrigen genauso aus. Auch bei einigen Schöffen glaubte ich diese Interesselosigkeit zu sehen, musste mich allerdings korrigieren, als einer der von mir beobachteten Schöffen einen Zwischenruf einbrachte.
»Warum wurde der Angeklagte nicht in Haft genommen, als er das Mädchen ermordete? Ein vielversprechender Beamter unserer Polizei könnte noch leben, wenn die Staatsanwaltschaft den Angeklagten damals nicht mit Samthandschuhen angefasst hätte!«
Ich korrigierte mein vielleicht vorschnell gefasstes Urteil abermals. Die Männer waren bei
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