Hexer-Edition 16: Stirb, Hexer!
blätterte Cohens Bericht kurz durch und brachte ein eng beschriebenes Stück Papier zum Vorschein. »Ah, und hier haben wir die Aussage eines Augenzeugen, der den Mord an diesem Polizisten beobachten konnte! Dieses Blatt bricht Craven ja schon allein den Hals. Der Verteidiger, der diesen Fall auszufechten bereit ist, kann einem direkt Leid tun. Wer ist es übrigens?« Ruthel sah den Richter fragend an. Doch dieser gab die Frage Cohen weiter.
»Cravens Interessen werden von Dr. Gray wahrgenommen«, antwortete Cohen. »Er wird ihn sicher auch vor Gericht verteidigen.«
Ruthel nickte, sah aber trotzdem nicht sehr beeindruckt aus. »Dr. Gray ist als guter Anwalt bekannt. Außerdem hat er verdammt gute Verbindungen nach oben. Ich schätze, da kommen wir über eine Einweisung in eine geschlossene Anstalt nicht hinaus«, brummte er. »Es sei denn, wir beeilen uns. So ein Gutachten kann Wochen andauern. Bis dahin kann die ganze Sache erledigt sein.« Er grinste, hob die Linke an den Hals und machte mit dem Zeigefinger eine bezeichnende Geste an seine Kehle, die Cohen mehr erschreckte als alles andere. Was geht hier vor?, dachte er entsetzt.
Der Richter maß Cohen und den Staatsanwalt mit einem kühlen Blick. Cohens Verwirrung schien ihm nicht entgangen zu sein. »Immer der Reihe nach, Ruthel«, sagte er. »Zuerst einmal müssen wir ihn verurteilen, nicht? Wenn er schuldig ist.«
Cohen wusste keinen Grund dafür zu nennen – aber er hatte selten etwas gehört, das so falsch klang wie diese Worte.
»Lassen Sie den Gefangenen schnellstens hierherbringen, Inspektor«, fuhr Darender fort. »Und Sie, Ruthel, sorgen dafür, dass Dr. Gray informiert wird. Lassen Sie ihm ausrichten, dass sein Erscheinen von eminenter Bedeutung sei. Das Gericht der Königin kann keinen Mann hängen lassen, der nicht den Gesetzen gemäß verteidigt wurde!«
Tailworthern suchte umständlich den Schlüssel und sperrte geradezu entnervend langsam die Tür auf. Ich wagte es jedoch nicht, ihn anzutreiben, da ich Angst hatte, damit den hypnotischen Bann zu brechen, mit dem ich ihn unter Kontrolle hielt. Es fiel mir ohnehin immer schwerer, genügend Konzentration aufzubringen. Hinter meiner Stirn führten die Gedanken einen irren Veitstanz auf. Endlich knackte das Schloss und die Tür schwang auf.
Ich schob mich an Tailworthern vorbei und hastete die Treppe hinab, dicht gefolgt von Gray, der trotz allem das Kunststück fertig brachte, äußerlich vollkommen gelassen auszusehen.
Wir hatten Glück. Der in seiner Loge sitzende Pförtner schenkte seiner Zeitung mehr Beachtung als der Eingangstür, sodass ich ungesehen die schwere Klinke niederdrücken konnte. Das wuchtige Portal des Yard aufzuziehen, ging jedoch beinahe über meine Kräfte. Wieder war es Gray, der mir helfen musste, und nicht umgekehrt.
Ich atmete erleichtert die frische Luft, die sich angenehm von dem Mief in Tailwortherns Büro unterschied, und wollte mich gerade zu Gray herumdrehen, als ich den Mann erkannte, der im Sturmschritt die Treppe hinaufgerannt kam und mich ungläubig anstarrte.
Es war niemand anders als Inspektor Cohen. Vielleicht hätte ich in dieser Situation immer noch entkommen können, wenn ich bei Kräften gewesen wäre. Cohen war nämlich so überrascht, dass er wie zur Salzsäule erstarrt stehen blieb und mich aus weit aufgerissenen Augen anglotzte.
Ich versuchte es auch – aber es blieb bei einem Versuch.
Ich war noch nicht einmal ganz auf gleicher Höhe mit ihm, als er aus seiner Starre erwachte und mit verblüffender Schnelligkeit reagierte. Er sprang mich wie eine wütende Dogge an und riss mich zu Boden. Noch im Fallen knallte er mir einen gut gezielten Haken unter den Rippenbogen, dass mir die Luft wegblieb.
Als ich wieder atmen konnte, blickte ich in die Mündung eines Revolvers, die ungefähr einen halben Inch vor meinem rechten Auge schwebte.
»Versuchen Sie es, Craven«, sagte Cohen leise. »Versuchen Sie einen Ihrer Zaubertricks – los. Ich bin gespannt, ob Sie schnell genug sind.«
Ich versuchte es nicht. Selbst wenn ich im Vollbesitz meiner Kräfte gewesen wäre, hätte ich es nicht gewagt, denn Cohens Zeigefinger hatte den Abzug der Waffe schon halb durchgezogen. Den Bruchteil eines Millimeters mehr …
»Ich gebe auf«, sagte ich.
Cohen schwieg, aber das Blitzen in seinen Augen verriet mir, dass er fast bedauerte, so leichtes Spiel zu haben. Und da war noch etwas. Enttäuschung?
»Aufstehen«, befahl er. »Ganz langsam.«
Ich hätte
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