Hexer-Edition 16: Stirb, Hexer!
Suche abzubrechen.
»Bruce?«, rief er.
»Ja, Daddy?« Die Stimme seines Sohns, der oben auf der Weide wartete, klang unglücklich und besorgt.
»Ich komme zurück; in zwei, drei Minuten bin ich wieder bei dir.« Bruce stieß einen Laut der Erleichterung aus, dem man deutlich anmerken konnte, wie sehr er sich danach sehnte, endlich nach Hause gehen zu können.
Frederic Murphy wollte eben eine Kehrtwendung machen, als er plötzlich unmittelbar vor sich ein eigenartiges Geräusch wahrnahm. Es war ein Glucksen, ein Schmatzen, das sich anhörte, als ob sich etwas Großes, Schweres aus dem Sumpf lösen würde.
Frederic Murphy verhielt den Schritt, blieb bewegungslos stehen, um sich besser konzentrieren zu können. Er spürte, wie sich sein Pulsschlag beschleunigte, wie sein Herz unruhig zu hämmern begann. Sein Instinkt, durch sein Leben in der freien Natur besonders geschärft, sagte ihm, dass irgendetwas nicht so war, wie es sein sollte. Dass da irgendwo vor ihm etwas Lebendiges war.
Da war das Geräusch wieder, gurgelnd, blubbernd. Und dann war da auf einmal ein Geruch in der Luft – nein, kein Geruch, vielmehr ein Gestank, der so bestialisch war, dass Murphy krampfhaft gegen ein schier überwältigendes Gefühl des Ekels ankämpfen musste. Er keuchte, versuchte die Luft anzuhalten, konnte den entsetzlichen Gestank, der wie eine unsichtbare Wolke der Pestilenz auf ihn eindrang, jedoch nicht fern halten. Übelkeit übermannte ihn, lähmte ihn förmlich.
»Daddy?«, hörte er die besorgte Stimme seines Sohnes. »Daddy, wo … wo bist du?«
Murphy wollte antworten, aber als er den Mund öffnete, kam nur ein heiseres, ersticktes Krächzen hervor. Jetzt hörte und roch er nicht nur etwas, nein, er sah auch etwas. Eine gigantische Masse hatte sich aus dem Sumpf erhoben, ein amorphes Etwas, so abgrundtief schwarz, dass er es nur wahrnehmen konnte, weil die Dunkelheit der Nacht, die es einhüllte, im Kontrast dazu geradezu hell wirkte. Die furchtbare Schwärze wuchs vor ihm auf wie eine bis zum Himmel reichende, fugenlose Mauer. Und eine Kälte, wie sie nur in den toten Schluchten zwischen den Sternen denkbar erschien, griff nach Frederic Murphy, lähmte seine Sinne vollends und ließ ihn in eine gnädige Bewusstlosigkeit sinken.
Das quälende, grauenvolle Heulen, das in diesem Augenblick wieder in der nebelverhangenen Ferne hörbar wurde, drang nicht einmal mehr in sein Bewusstsein.
Es war eine Art Verrücktheit, die Besitz von mir ergriffen hatte. Wo ich auch ging, was ich auch tat, fortwährend erschien ein großer, schlanker, sonnengebräunter Mann vor meinem geistigen Auge.
Sir Henry Baskerville!
Ich tat alles Mögliche, um sein Bild aus meinem Bewusstsein zu verbannen, vertiefte mich bis zur geistigen Erschöpfung in die geschäftlichen Unterlagen, die Aufschluss über meinen erstaunlich großen Aktienbesitz gaben, suchte sogar Kontakt zu dem mir eigentlich verhassten Londoner Gesellschaftsleben. Aber es half alles nichts: Henry Baskerville war immer dabei.
Tagelang hatte ich gegen die Versuchung angekämpft, nähere Informationen über meinen Plagegeist einzuholen – und sah mich letzten Endes doch veranlasst, der Versuchung nachzugeben. Und so wusste ich mittlerweile einiges über diesen Mann, der aus völlig unerfindlichen Gründen für mich der wichtigste Mensch der ganzen Welt geworden zu sein schien.
Henry Baskerville war erst vor wenigen Wochen nach England gekommen, nachdem er den größten Teil seines Lebens zunächst in Kanada und dann als privater Forschungsreisender vor allem in den Ländern des Orients zugebracht hatte. Der Grund für seine Rückkehr ins Vaterland lag darin, dass sein Onkel, Sir Charles Baskerville, verstorben war und ihm neben einem beträchtlichen Barvermögen auch den Familienbesitz in Devonshire vererbt hatte. Wie schon von mir geschätzt, betrug Henry Baskervilles Alter tatsächlich dreißig Jahre. Er war unverheiratet, erfreute sich eines ausgezeichneten Rufs und schien nichts, aber auch gar nichts an sich zu haben, was mein rätselhaftes Interesse an seiner werten Person erklären konnte. Und doch brannte dieser Wissensdurst so lodernd in mir, dass ich ernsthaft um meine geistige Gesundheit bangte.
Und so tat ich schließlich das, was ich tun musste, wenn ich mich auch nach wie vor verstandesmäßig dagegen sträubte: Ich kaufte mir eine Fahrkarte nach Devonshire.
»Ich kann Ihnen gar nicht sagen, wie froh ich bin, dass Sie mir ein wenig Gesellschaft leisten,
Weitere Kostenlose Bücher