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Hexer-Edition 16: Stirb, Hexer!

Hexer-Edition 16: Stirb, Hexer!

Titel: Hexer-Edition 16: Stirb, Hexer! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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Glück wurde ich einer Antwort enthoben, denn in diesem Augenblick brachte der Kellner mein eigenes Essen. Ich murmelte irgendetwas und zwang mich dann, meine Aufmerksamkeit auf das Menü zu richten. Es handelte sich um flambierte Nieren in irgendeiner undefinierbaren, bunten Soße. Der Teufel musste mich geritten haben, so etwas zu bestellen. Dennoch machte ich mich sogleich darüber her, teils, um mich selbst abzulenken, teils, um den wütenden Blicken meines Tischnachbarn zu entkommen.
    Auch der Fremde nahm schließlich Messer und Gabel wieder hoch und aß weiter. Was meine Nieren anging, vermochte ich nicht einmal zu sagen, ob sie schmeckten oder nicht. Zu sehr war ich damit beschäftigt, gegen den verrückten inneren Drang anzugehen, der mich zwingen wollte, wieder zu dem Mann am Nebentisch … hinüberzuglotzen, wie er sich ausgedrückt hatte.
    Obgleich ich mich normalerweise durchaus rühmen kann, einen starken Charakter und einen festen Willen zu haben, bereitete ich mir in dieser Hinsicht diesmal eine bittere Enttäuschung. Lange hielt ich meine Enthaltsamkeit nicht durch. Ich kam gegen den unheimlichen Zwang, der sich in mir festgesetzt hatte, nicht mehr an, hörte auf zu essen und nahm meinen Tischnachbarn wieder fest ins optische Visier. Dass ich dabei nicht aufstand und ihm ganz dicht auf die Pelle rückte, musste ich mir bereits als Erfolg anrechnen.
    Erwartungsgemäß merkte mein Opfer sehr schnell, dass ich wieder angefangen hatte, ihn zu fixieren wie die Schlange das Kaninchen. Ruckartig fuhr er abermals herum.
    »Sagen Sie mal, Mister«, schnauzte er. »Sind Sie vielleicht … anders herum?«
    »Ob ich …«
    »… auf Männer stehe!«, sagte er drastisch. »Ja, genau das war meine Frage.«
    »Ich … bin verlobt«, stammelte ich. »Mit einem überaus reizenden Mädchen«, fügte ich dann noch hinzu, ganz so, als müsste ich jedes Missverständnis ausschließen.
    »Na, die Schnepfe möchte ich sehen«, knurrte er und wandte sich wieder ab.
    Zorn wallte in mir hoch. Hatte ich es nötig, Priscylla auf diese Weise beleidigen zu lassen? Der Fremde war zwar kräftig und überragte mich noch um gut eine Hand breit, aber ich zweifelte nicht im Mindesten daran, dass ich es jederzeit mit ihm aufnehmen konnte. Nur die Erkenntnis, dass seine rüde Verhaltensweise wohl von mir provoziert worden war, ließ mich davon Abstand nehmen, handgreiflich zu werden.
    In jedem Fall war dem Fremden der Appetit jetzt endgültig vergangen. Er stieß wütend seinen Teller zurück und rief lautstark nach dem Kellner. Er zahlte, ließ sich seinen Mantel bringen, bedachte mich noch mit einem wutsprühenden Blick und verließ dann das Gasthaus.
    Ich stand vor einer schweren Bewährungsprobe. Alles in mir drängte mich, unverzüglich aufzuspringen und dem Mann zu folgen. Krampfhaft klammerte ich mich an der Tischplatte wie an einem Rettungsanker fest. Ich spürte, wie mir der Schweiß aus allen Poren brach, wie in meinem Kopf ein Schwindel erregendes Gefühl der Leere entstand, wie das Blut in meinen Adern raste und pochte. Entzugserscheinungen wie bei einem Opiumsüchtigen, schoss es mir durch den Kopf.
    Diesmal jedoch hielt ich durch. Und langsam, wohl mit jedem Schritt, den sich der Fremde vom Restaurant entfernte, besserte sich mein Befinden wieder. Zumindest die rein körperlichen Symptome verflüchtigten sich. Was blieb, war die seelische Empfindung, einen ungeheuren Verlust erlitten zu haben, einen Verlust, den ich wahrscheinlich nicht ertragen konnte, ohne dabei dem hellen Wahnsinn anheim zu fallen.
    Meinem Kellner war nicht entgangen, dass mit mir irgendetwas nicht in Ordnung war. Er trat an den Tisch und blickte mich mit echter Besorgnis an.
    »Kann ich etwas für Sie tun?«, fragte er.
    Ich nickte. »Verraten Sie mir den Namen des Mannes, der hier am Nebentisch gesessen hat.«
    Und so erfuhr ich, dass der Fremde der mich auf so mysteriöse Weise in seinen Bann geschlagen hatte, ein Sir Henry Baskerville aus Devonshire war.
     
    Nachdem Frederic Murphy die Häupter seiner Lieben gezählt hatte, stieß er einen gotteslästerlichen Fluch aus.
    »Bruce!«, brüllte er.
    Er bekam keine Antwort, obwohl kaum ein Zweifel daran bestehen konnte, dass sein Sohn ihn gehört haben musste.
    »Bruce!«
    Diesmal hatte sein Rufen Erfolg. Der Junge trat aus dem Stall und kam zum Pferch herüber, mit zögernden, unsicheren Schritten. Sein sommersprossiges Gesicht war betont ausdruckslos, aber in seinen Augen flackerte das leibhaftige

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