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Hexer-Edition 19: Der abtrünnige Engel

Hexer-Edition 19: Der abtrünnige Engel

Titel: Hexer-Edition 19: Der abtrünnige Engel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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aus meinem Bewusstsein verjagte, die Schale ergriff und mit einem einzigen Zug leerte – freilich erst, nachdem ich mir kräftig die Zunge an ihrem Inhalt verbrannt hatte.
    Die Flüssigkeit schmeckte noch schlimmer, als sie roch, aber die Wirkung setzte augenblicklich ein. Eine Woge warmer, wohltuender Schwere breitete sich in meinem Körper aus, lähmte mich für drei, vier Sekunden – und verschwand.
    Zusammen mit der Schwäche.
    Von einem Moment auf den anderen fühlte ich neue, pulsierende Kraft, eine solche Energie, dass ich um ein Haar sofort aufgesprungen wäre.
    »Du musst vorsichtig sein«, sagte die Alte. »Das Viha gibt dir Kraft, aber es wirkt nur eine Stunde. Danach wirst du schlafen. Sehr lange.«
    Eine Stunde – nun, das war lange genug, hier herauszukommen.
    »Wer bist du?«, fragte ich freundlich.
    »Xird, Herr«, antwortete die Alte. »Ich bin Meredas Dienerin.«
    Mein Gesicht musste wohl ohne mein bewusstes Zutun auf den Namen Mereda reagiert haben, denn Xird sah mit einem Male sehr betroffen aus. »Ich wusste nicht, was sie tat, Herr«, beeilte sie sich zu versichern. »Und ich wusste nicht, wer Ihr seid. Niemand hier wusste das. Sie hätte Euch fast umgebracht.«
    »Aber nur fast«, murmelte ich. »Lass gut sein, Xird. Wo sind Mereda und die anderen?«
    »Der Turm wird angegriffen, Herr«, antwortete Xird. Noch immer war ihr Blick voll von Bewunderung, die ich nicht verstand.
    »Angegriffen? Von wem?«
    »Ich habe es nicht genau verstanden«, antwortete Xird. »Der Kampfdämon der Ancen, denke ich. Ihr werdet ihn vernichten.«
    Es dauerte einen Moment, bis ich begriff, dass hinter ihrem letzten Satz kein Fragezeichen stand.
    »Werde ich das?«, vergewisserte ich mich.
    »Ihr werdet es«, sagte Xird mit großer Überzeugung.
    »Da bin ich nicht so sicher«, murmelte ich. »Ich weiß nicht einmal, was ein Kampfdämon ist. Geschweige denn, wie man ihn besiegt.« Ich seufzte. »Ich habe mit eurem Krieg nichts zu schaffen, Xird. Du warst gut zu mir und ich bin dir dankbar, aber ich glaube nicht, dass ich mich in eure Angelegenheiten mischen will. Ich will nur fort hier.«
    »Das alles weiß ich«, sagte Xird ruhig. Seltsamerweise lächelte sie bei diesen Worten; auf jene weise, unnachahmliche Art, zu der nur sehr alte Frauen in der Lage sind. »Ich kenne die alten Lieder, Herr«, fuhr sie fort. »Ihr wisst nichts und Ihr haltet Euch für schwach. Aber Ihr seid es nicht. Hier – nehmt das. Ich habe es Mereda gestohlen, als sie hinauseilte, um den Dämon anzugreifen. Sie ist eine Närrin.« Damit drehte sie sich halb herum und hob etwas vom Boden auf, um es mir zu reichen.
    Es war mein Stockdegen.
    Aber er hatte sich verändert. Die Klinge steckte noch immer wohl verborgen in ihrem hölzernen Schaft, aber der geschliffene Kristallknauf mit dem nur schemenhaft erkennbaren Shoggotenstern glühte jetzt in einem sanften, gelblichen Licht.
    Zögernd nahm ich die Waffe entgegen, sah Xird prüfend an und legte sie dann über meine Knie.
    »Kommt, Herr«, sagte sie. »Ihr wollt den Turm fliehen. Wenn es wirklich das ist, was Ihr wollt, so helfe ich Euch.« Aber sie lächelte bei diesen Worten auf eine Weise, die mir nicht gefiel.
    Ganz und gar nicht.
     
    Wir kamen leichter aus dem Turm heraus, als ich erwartet hatte. Alle Conden-Leute eilten nämlich ebenfalls nach außen, um in der verfallenen Stadt am Fuße des Turmes eine Verteidigungslinie aufzubauen. Der gewaltige Turm war voller hastender Männer, aber niemand schien auch nur Notiz von mir zu nehmen; was nicht zuletzt auch an der Tatsache liegen mochte, dass ich ganz wie ein Mann aus Conden gekleidet war und mich in Begleitung von Meredas persönlicher Dienerin befand. Selbst als ich mit einem der bis an die Zähne bewaffneten Krieger zusammenprallte, rappelte er sich fluchend wieder hoch und hetzte weiter, ohne mir auch nur einen Blick zu schenken. Fast hatte ich das Gefühl, als wenn man uns in der Aufregung vergessen hätte.
    Aber diese unverhoffte Glückssträhne endete auch so rasch wieder, wie sie begonnen hatte, denn schon nach wenigen Metern zeigte sich, dass uns das Verlassen des Dämonenturmes herzlich wenig half.
    Die Nacht war von zahllosen, hell lodernden Feuern und Fackeln fast wieder zum Tage gemacht worden und unter dem blutig roten Licht offenbarte sich mir ein Bild wahrhaft apokalyptischer Schrecklichkeit. Hunderte, wenn nicht Tausende von Kriegern und Sree kämpften sich durch die verwinkelten Gassen der verfallenen Stadt, schrien,

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