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Hexer-Edition 19: Der abtrünnige Engel

Hexer-Edition 19: Der abtrünnige Engel

Titel: Hexer-Edition 19: Der abtrünnige Engel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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beachtete mich schon nicht mehr. Wut darüber, wie leichtfertig er die Gefahr überging, schoss in mir hoch, doch ich beherrschte mich. Mit einem zweifelnden Blick in die Richtung, in der ich die Bewegung gesehen zu haben glaubte, wandte ich mich ab und stapfte weiter. Madur war mit den Gefahren des Dschungels vertraut und ich musste mich wohl oder übel auf ihn verlassen. Ich war übermäßig nervös und es konnte gut sein, dass ein Baumstamm oder ein vom Wind bewegter Ast mich genarrt hatten.
    Eine weitere Stunde hielt ich den mörderischen Marsch durch, nachdem ich den Trick einmal herausgefunden hatte. Statt wie ein nervöses Hemd durch die Gegend zu hüpfen, zwang ich mich zur Ruhe und wartete jeweils ab, bis die Sree sich ein Stück vorgearbeitet hatten. Erst dann holte ich mit einigen weiten Schritten auf.
    Wir rasteten auf einer kleinen Lichtung, als wir etwa die Hälfte des Weges zum See zurückgelegt hatten. Erschöpft ließ ich mich zu Boden sinken – und fuhr mit einem leisen Schmerzensschrei wieder hoch. Das knöchelhohe Gras hatte eine Dornenranke verborgen. Wütend schob ich sie mit dem Fuß zur Seite und ignorierte Madurs schadenfrohes Grinsen. Ich massierte meine schmerzenden Beine und lehnte mich mit geschlossenen Augen zurück.
    Doch ich fand keine Ruhe. Ein seltsames Gefühl der Bedrohung erfüllte mich. Etwas stimmte nicht mit diesem Ort, ohne dass ich eine Ursache für das vage Gefühl erkennen konnte. Auf den ersten Blick schien sich nichts verändert zu haben. Es dauerte mehrere Minuten bis mir bewusst wurde, dass das Gefühl der Bedrohung nicht auf meine überreizten Nerven zurückzuführen war. Nach dem ununterbrochenen Bersten von Zweigen war jetzt Stille eingekehrt.
    Totenstille.
    Um uns herum lastete der Dschungel wie eine düstere Wand aus Schatten, die jedes Geräusch wie ein gewaltiger Schwamm aus Gestalt gewordener Nacht verschluckte. Die Stille war nicht natürlich, sie wirkte auf eine Furcht erregende Art fremdartig. Zuvor hatte ich nicht bewusst darauf geachtet, aber ich war mir sicher, dass Vogelgezwitscher und auch das Brüllen ferner Raubtiere unseren bisherigen Weg begleitet hatten. Obwohl ich mir keineswegs eine Begegnung mit den Tieren wünschte, irritierte mich doch ihr plötzliches Verstummen. Es war, als hätte die Natur den Atem angehalten – oder als hätte ihr stärker ausgeprägter Instinkt die Tiere von diesem Ort vertrieben.
    Eine Falle!, durchzuckte es mich. Diese ganze Lichtung war eine einzige Falle, auch wenn ich die Bedrohung immer noch nur unterschwellig spüren konnte. Wieder glaubte ich am Waldrand eine huschende Bewegung zu entdecken, die aufhörte, als ich genauer hinsah.
    Auch Madur und den Sree war die unnatürliche Stille aufgefallen. Einige waren aufgesprungen und blickten sich unsicher um, die Schwerter kampfbereit erhoben.
    Madur erwiderte meinen Blick und zuckte fast unmerklich mit den Schultern. Ich packte den Stockdegen fester und ging zu ihm hinüber. Seine arrogante Selbstsicherheit war wie weggeblasen.
    »Die Tiere«, flüsterte er. »Es ist ein böses Omen, wenn sie verstummen. Wir sollten so schnell wie möglich …«
    Ich erfuhr nicht mehr, was er sagen wollte. Alles, was ich noch sah, war ein fingerdickes Etwas, das sich um seine Kehle schlang, bevor ich ebenfalls von einer ungeheueren Kraft von den Füßen gerissen wurde.
     
    Die Stunden verstrichen wie ein nicht enden wollender Albtraum. Inbrünstig klammerte sich Sill an den Gedanken, dass sie irgendwann aufwachen und feststellen würde, dass alles gar nicht wirklich passiert war. Auch wenn sie wusste, dass nichts dergleichen geschehen würde, gab sie die Hoffnung nicht auf, um sich nicht ihrer letzten Zuflucht vor der Verzweiflung zu berauben.
    Immer seltener vernahm sie die fremde Stimme und das schattige Etwas schien sich fast völlig aus ihr zurückgezogen zu haben. Es hatte seine Aufgabe erfüllt.
    Mit Schrecken stellte Sill fest, dass sie selbst sich immer schneller veränderte. Nur noch ein geringer Teil ihres Ichs war von dieser Veränderung unberührt geblieben. Die Verlockung der Macht war zu groß. Immer stärker wurde der Einfluss des finsteren Teils ihrer Seele, der mit ihrer gegenwärtigen Situation völlig zufrieden war und sich an der ihr entgegengebrachten Verehrung ergötzte. Sie hatte sich dem Volk von Ancen gezeigt und war frenetisch gefeiert worden. In dem seit Jahrtausenden währenden Krieg gegen den Conden-Turm sahen die Menschen in ihr die große Hoffnung auf

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