Hexer-Edition 19: Der abtrünnige Engel
neben ihr stöhnte auf. Wie in Krämpfen presste er die Arme um seinen Leib, dann brach er ohnmächtig zusammen.
Erschrocken verringerte Aneh den geistigen Druck auf die anderen ein wenig und sandte beruhigende Impulse an sie. Sie durfte den Kreis nicht überbelasten, wenn sie eine Katastrophe verhindern wollte.
Vier Stunden musste die magische Sphäre mindestens halten. Sie musste die ihr zur Verfügung stehende Kraft sorgsamer einteilen.
Ein Geräusch schreckte sie auf. Für Sekunden drohte sie die Kontrolle über die magischen Energien zu verlieren. Ein lautloser Aufschrei ging durch die Gedanken der Adepten und sie spürte die aufkommende Panik. Instinktiv kapselte sie sich ab.
Ein glühendes Schwert schien durch Anehs Geist zu schneiden, als sie die magische Sphäre plötzlich allein kontrollieren musste. Blitze von ungeheurer Grelle drohten ihr Bewusstsein zu verbrennen. Sie wand sich vor Schmerzen, bis es ihr gelang, die Kontrolle über das magische Feld zurückzugewinnen.
»Bist du von Sinnen?«, herrschte sie den Mann an, der in den Saal gestürmt war.
»Die Sree!«, keuchte der Mann. »Sie greifen den Turm an!«
Es dauerte einige Sekunden, bis Aneh die Nachricht richtig verstand. Jähes Entsetzen verzerrte ihr Gesicht und wieder drohte ihr die Kontrolle über das magische Feld zu entgleiten.
»Haltet sie auf!«, befahl sie. »Sie dürfen den Beschwörungssaal unter keinen Umständen erreichen.«
»Wir haben keine Chance, sie ohne die Hilfe des Kreises zu besiegen. Der Aufstand muss gründlich vorbereitet gewesen sein. Bevor wir überhaupt gemerkt haben, was geschah, hatten sie schon die Außenbastionen erobert. Sie kämpfen wie die Berserker. Nichts kann sie aufhalten. Ihr müsst uns helfen – oder Conden wird fallen!«
»Es … es geht nicht. Ich kann die Beschwörung jetzt nicht abbrechen. Haltet sie wenigstens noch zwei Stunden auf.«
»Ich glaube nicht, dass …«
»Ihr müsst«, wiederholte Aneh. »Wenn ihr sie nicht aufhaltet, ist alles verloren.«
Aber, dachte sie verbittert, während sie sich wieder auf das magische Feld konzentrierte, war es das nicht ohnehin schon?
Die Finsternis war wie eine erstickende Wand, die unablässig am Lichtschein der magischen Sphäre nagte, die mich vor der tödlichen Umwelt schützte, sodass mein Blick kaum zwei Yards weit reichte. Doch das Wenige, das ich sah, weckte in mir auch keineswegs die Neugier auf mehr. Bizarre, von bleichen Algen überwachsene Felsbrocken säumten bereits seit fast zwei Stunden meinen Weg. Andere, ebenso bleiche Pflanzen wiegten sich in der Strömung des Meeres. Etwas, das entfernt einem Fisch ähnelte, schwamm auf mich zu und verharrte vor der magischen Blase. Faustgroße, wie unter einem inneren Feuer glühende Augen starrten mir entgegen. Sie wanden sich an handlangen Stielen, die sich auf unstete, schlangengleiche Art bewegten, als wohne ihnen ein unheimliches Eigenleben inne.
Ich verscheuchte das Tier, bevor es die magische Sphäre berühren konnte, und stapfte weiter. Schluchten und Spalten tauchten unvermittelt vor meinen Füßen auf und machten jeden meiner Schritte zu einem Spiel mit dem Schicksal. Schlamm wirbelte unter meinen Füßen hoch und wurde von der heftigen Strömung in die Dunkelheit davongetragen. In meiner Phantasie formte er sich zu dämonischen Fratzen und namenlosen Scheußlichkeiten, die sich jeder Beschreibung entzogen.
Der Grund des Weltmeeres, tief unter der Erdoberfläche, war eine Hölle eigener Art. Diese Welt war nicht für Menschen gemacht und wenn es auch nicht das erste Mal war, dass ich mich in einer durch Magie geschaffenen Luftblase vorwärts bewegte, so war es doch das erste Mal, dass mir wirklich bewusst wurde, wie sehr ich mit dieser Kraft gegen die Gesetze der Natur verstieß. Mit jedem Schritt wurde der Wunsch, so schnell wie möglich kehrtzumachen und zum Conden-Turm zurückzukehren, stärker.
Doch ich wusste, dass ich es nicht durfte, wenn ich Sill retten und diese unterirdische Schreckenswelt jemals verlassen wollte.
Während meiner Ohnmacht hatten Uscham und ein weiterer überlebender Sree mich getragen, sodass wir den See bereits erreicht hatten, als ich erwachte. Irgendwie war es mir gelungen, mit Aneh in Verbindung zu treten. Im Schutz der magischen Sphäre war ich in den See hinabgetaucht. Um die Orientierung brauchte ich mich kaum zu kümmern; die Sphäre wies mir den Weg.
Dass dieser ausgerechnet durch die Ausläufer eines unterseeischen Gebirges führte, hatte
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