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Hexer-Edition 19: Der abtrünnige Engel

Hexer-Edition 19: Der abtrünnige Engel

Titel: Hexer-Edition 19: Der abtrünnige Engel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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konnte, wie es nötig gewesen wäre.
    »Aneh«, stöhnte ich. Ich wusste, dass die junge Magierin auf ein Zeichen von mir wartete, um die schützende Luftblase um mich zu erschaffen. Vielleicht konnte sie mir auch jetzt helfen; und sei es nur dadurch, dass sie mir half, meine Hexerkraft zu erwecken.
    Doch es waren nicht Anehs beruhigende Impulse, die ich mit einem Mal in mir spürte. Dennoch kamen sie mir auf sonderbare Art bekannt vor, ohne dass ich sie auf Anhieb einzuordnen vermochte. Wichtig war nur, dass es mir endlich gelang mich richtig zu konzentrieren.
    Als ich nach einigen Sekunden die Augen wieder öffnete, hatte sich die Welt um mich herum verändert. Es gab keine Farben mehr, nur noch helle und dunkle Grautöne in allen denkbaren Schattierungen, fast wie auf einer falsch belichteten Fotoplatte. Zugleich waren die Farben in ihr Gegenteil verdreht. Um mich herum herrschte nachtschwarze Dunkelheit, aus der sich die Gestalten von Madur und Uscham unscharf abhoben.
    Doch ich sah nicht nur die Schatten. Vor mir erstreckte sich ein Gespinst dünner, weiß leuchtender Fäden, scheinbar wirr ineinander verwoben, doch je stärker ich mich konzentrierte, umso deutlicher schälte sich ein kompliziertes, spinnennetzähnliches Muster aus der sinnverwirrenden Symmetrie, das an ein riesiges Speichenrad erinnerte. An zahlreichen Stellen kreuzten sich die Fäden und bildeten grell strahlende, pulsierende Knoten.
    Ich zitterte vor Anstrengung und presste die Hände gegen die Schläfen, aber ich folgte dem Verlauf des Musters mit meinem Blick, bis ich gefunden hatte, was ich suchte. Die Fäden, die nichts weiter als die Dornenranken und Wurzelstränge darstellten, trafen sich alle an einem einzigen Punkt. Sie waren nicht voneinander unabhängige Wesen, sondern lediglich tausende Ausläufer einer einzigen Riesenpflanze, deren pulsierendes Zentrum wie ein gigantisches Herz etwa in der Mitte der Lichtung lag.
    Ich ergriff den Stockdegen mit zwei Fingern und schleuderte ihn wie einen Speer. In steilem Winkel stieg er in die Höhe, erreichte seinen höchsten Punkt und senkte sich trudelnd wieder herab. Mit mentalen Fühlern packte ich zu, beeinflusste seine Richtung und lenkte ihn in Richtung der strahlenden Helligkeit.
    Im gleichen Moment wurde die Welt um mich herum wieder normal. Ich besaß nicht mehr genügend Kraft, sie auf magische Art wahrzunehmen. Alles begann sich vor meinen Augen zu drehen. Ich taumelte vor Schwäche und wäre gestürzt, wenn Madur nicht noch rechtzeitig zugegriffen und mich aufgefangen hätte.
    Ein dumpfes Beben lief durch die Masse der Pflanzen. Im Todeskampf peitschten sie noch einmal auf uns ein. Madur und Uscham hieben wild auf sie ein.
    Dann, von einem Augenblick zum anderen, war es vorbei. Die Ranken erstarrten in der Bewegung und zerfielen in Sekundenschnelle. Nur noch graue Asche bedeckte die Lichtung und wurde vom Wind fortgewirbelt.
    Das war das Letzte, was ich wahrnahm, bevor ich endgültig ohnmächtig zusammenbrach.
     
    Auf den ersten Blick sah es aus, als ob die Menschen schliefen. Reglos, mit geschlossenen Augen saßen sie zusammen. Die einzige Bewegung in dem großen Saal ging von den ruhig pulsierenden Assyr-Kristallen aus.
    Doch die acht Männer und Frauen schliefen nicht. Aneh hatte erneut das Lied der Macht angestimmt, um den Magierkreis zu einer geistigen Einheit zu verschmelzen. Allein war sie zu schwach, den Ruf des Befreiers zu hören, und sie wusste nicht einmal, ob es so gelingen würde. Die Anstrengungen der letzten Tage waren zu viel gewesen für die weitgehend ungeschulten Adepten und selbst dieser Versuch stellte fast schon eine geistige Vergewaltigung dar. Für Tage, wenn nicht gar Wochen würde dies das letzte Mal sein, dass sie den Kreis zusammenrufen konnte.
    Aber die Entscheidung über das weitere Schicksal Condens würde ohnehin in den nächsten Stunden fallen. Nichts würde danach mehr wie zuvor sein, wie auch immer die Entscheidung aussehen mochte.
    Aneh wartete und konzentrierte sich mit aller Macht, bis sie endlich den Ruf wahrnahm. Es war nicht mehr als ein schwaches Wispern, das sich zu ihrem Namen formte.
    Gleichzeitig griff sie mit magischer Kraft nach den Gehirnen der Adepten und sammelte ihre Energie, sog sie wie ein Schwamm in sich auf und sandte sie weiter. Einen Herzschlag lang glaubte sie einen grell leuchtenden Speer zu sehen, der sich in der Unendlichkeit verlor.
    Ein leises Summen kam über ihre Lippen und wurde zu einer Melodie.
    Einer der Adepten

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